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BVerwG - Entscheidung vom 15.03.2017

10 C 3.16

Normen:
BGB § 133 Abs. 2
BGB § 157 Abs. 2
BGB § 158 Abs. 2
BGB § 195 Abs. 1
BGB § 203 S. 1
BGB § 242
BGB § 812
VwVfG § 36 Abs. 2 Nr. 2
VwVfG § 49a Abs. 1 S. 1
VwVfG § 53
VwVfG § 102
LVwVfG RP § 1 Abs. 1
VwGO § 121 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 158 Abs. 2
BGB § 195 Abs. 1
BGB § 203 S. 1
BGB § 242
BGB § 812
VwVfG § 36 Abs. 2 Nr. 2
VwVfG § 49a Abs. 1 S. 1
VwVfG § 53
VwVfG § 102
LVwVfG RP § 1 Abs. 1
VwGO § 121
VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 2
VwVfG § 49a Abs. 1 S. 1
VwVfG § 49a Abs. 2 S. 1
VwVfG § 53 Abs. 1
VwVfG § 53 Abs. 2
VwVfG § 102
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 158 Abs. 2
BGB § 195
BGB § 199 Abs. 1
BGB § 203 S. 1
BGB § 209
BGB § 242
BGB § 812
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1
AEUV Art. 108 Abs. 3 S. 3

Fundstellen:
BVerwGE 158, 199
NJW 2017, 10
NVwZ 2017, 969

BVerwG, Urteil vom 15.03.2017 - Aktenzeichen 10 C 3.16

DRsp Nr. 2017/6012

Anwendung der kenntnisabhängigen dreijährigen Verjährungsfrist i.R.e. öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs; Hemmen der Verjährung durch Verhandlungen zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner; Rückzahlung einer Zuwendung

1. Auf den Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG findet seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 nicht mehr die kenntnisunabhängige dreißigjährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB a.F., sondern die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB n.F. Anwendung.2. Verhandlungen zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner hemmen die Verjährung grundsätzlich hinsichtlich sämtlicher Ansprüche, die der Gläubiger aus dem betreffenden Lebenssachverhalt herleiten kann (Anschluss an BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 285/12 - NJW-RR 2014, 981 ).

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. November 2015 wird geändert. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 8. Dezember 2014 wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe insgesamt zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

VwVfG § 49a Abs. 1 S. 1; VwVfG § 49a Abs. 2 S. 1; VwVfG § 53 Abs. 1 ; VwVfG § 53 Abs. 2 ; VwVfG § 102 ; BGB § 133 ; BGB § 157 ; BGB § 158 Abs. 2 ; BGB § 195 ; BGB § 199 Abs. 1 ; BGB § 203 S. 1; BGB § 209 ; BGB § 242 ; BGB § 812 ; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 ; AEUV Art. 108 Abs. 3 S. 3;

Gründe

I

Die Parteien streiten um die Rückzahlung einer Zuwendung.

Der Kläger gründete mit zwei Partnern ein Unternehmen, die ... (N. GmbH), und erhielt dafür im Rahmen eines Existenzgründerprogramms eine Förderung in Form eines fünf Jahre tilgungsfreien und zehn Jahre zinslosen Darlehens in Höhe von 150 000 DM. Der Förderbescheid vom 19. November 1998 enthielt die Nebenbestimmung, dass der Zuschuss binnen zwei Monaten vollständig zurückzuzahlen sei, wenn der mitfinanzierte Betrieb nicht während der gesamten Zeit eigenbetrieblich gewerblich genutzt werde.

Als nach fünf Jahren die erste Tilgungsrate fällig wurde, beantragte der Kläger wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der N. GmbH erstmals Stundung der Ratenzahlung. Im Folgenden bedienten weder das Unternehmen noch der Kläger die vereinbarten Rückzahlungsraten. Im November 2006 wurde der Kläger als Geschäftsführer des Unternehmens abberufen und mit Wirkung vom 8. März 2007 aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 7. Juli 2007 informierte der Kläger die Beklagte über seinen Ausschluss aus der Gesellschaft und schlug eine Gesamtregulierung der Darlehensschuld durch eine Teilzahlung von 50 000 € und einen Teilerlass vor. Die Beklagte machte eine Reihe zusätzlicher Angaben insbesondere zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers zur Vorbedingung weiterer Gespräche. Nachdem der Kläger die Beklagte darüber zuletzt mit Schreiben vom 17. April 2008 informiert hatte, fanden gleichwohl keine Vergleichsverhandlungen statt.

Mit Bescheid vom 16. August 2012 forderte die Beklagte vom Kläger den gesamten Förderbetrag von umgerechnet 76 693,78 € nebst Zinsen zurück, weil die Rückzahlung mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen vorzeitig auf Grund des Eintritts einer auflösenden Bedingung fällig geworden sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 5. September 2013 zurück.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat sich der Kläger unter anderem darauf berufen, dass der Rückzahlungsanspruch verjährt sei. Die regelmäßige Verjährungsfrist betrage seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2002 drei Jahre und sei hier mittlerweile abgelaufen. Dieser Argumentation ist das Verwaltungsgericht gefolgt und hat den Rückforderungs- und Widerspruchsbescheid mit Urteil vom 8. Dezember 2014 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage bis auf einen Teilbetrag von 7 669,38 € abgewiesen. Weil die auflösende Bedingung ex nunc eingetreten sei, sei der Zuwendungsbescheid der Beklagten nur insoweit unwirksam geworden, als er sich auf Rechtswirkungen beziehe, die nach dem 8. März 2007 eintreten sollten. Die zuvor bereits fällig gewordenen drei Tilgungsraten von jeweils 15 000 DM (7 669,38 €) blieben hiervon unberührt und könnten weiterhin auf Grund des Zuwendungsbescheides zurückgefordert werden. Für den zu diesem Zeitpunkt noch subventionierten restlichen Darlehensteil von 53 685,65 € sei hingegen die Rechtsgrundlage entfallen; er könne deshalb nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG zurückgefordert werden. Dieser öffentlich-rechtliche Rückzahlungsanspruch sei auch nicht verjährt, weil für ihn die kenntnisunabhängige dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB alter Fassung gelte. Die seit 2002 geltende dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB neuer Fassung finde keine Anwendung, weil eine solche Verkürzung der Verjährungsfrist den Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht hinreichend Rechnung trage.

Mit seiner Revision hält der Kläger daran fest, dass auf den vorliegenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch das neue Verjährungsrecht des Privatrechts entsprechend anzuwenden sei. Des Weiteren habe das Oberverwaltungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Bewilligungsbescheid vom 19. November 1998 nur insoweit unwirksam geworden sei, als er sich auf Rechtswirkungen nach Eintritt der auflösenden Bedingung am 8. März 2007 beziehe. Mit Eintritt der auflösenden Bedingung sei der gesamte Bewilligungsbescheid unwirksam geworden, so dass der Erstattungsanspruch auch die Tilgungsraten für die Jahre 2004, 2005 und 2006 erfasse und auch insoweit verjährt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. November 2015 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 8. Dezember 2014 insgesamt zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei das Oberverwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Erstattungsanspruch nicht verjährt sei.

II

Die Revision ist zulässig. Sie führt zur Überprüfung des Berufungsurteils im vollen Umfang. Der Kläger ist durch das Berufungsurteil zwar nur insoweit formell beschwert, als das Oberverwaltungsgericht der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage gegen den angefochtenen Rückforderungsbescheid hinsichtlich eines Teilbetrages von 53 685,65 € abgewiesen hat. Seine materielle Beschwer reicht indes weiter und erfasst auch den restlichen Teil des Streitgegenstandes, hinsichtlich dessen die Vorinstanzen den Rückforderungsbescheid aufgehoben haben. Die Vorinstanzen haben dies nämlich damit begründet, der Zuwendungsbescheid vom 19. November 1998 wirke hinsichtlich der ersten drei Tilgungsraten als Rechtsgrundlage für eine Rückforderung fort, die unverjährt und zudem unmittelbar vollstreckbar sei. Diese Begründung würde, wenn das Berufungsurteil insoweit Bestand hätte, an dessen Rechtskraftwirkung nach § 121 VwGO teilnehmen. Dies stellte für den Kläger eine präjudizielle Rechtsbeeinträchtigung dar (BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 3 C 3.95 - BVerwGE 104, 289 <292 f.>).

Die Revision ist auch begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt revisibles Recht, indem es die Reichweite der Rückforderungsklausel im Zuwendungsbescheid vom 19. November 1998 unter Verletzung der §§ 133 , 157 BGB verkennt (1.) und die Verjährungsfrist für den Rückforderungsanspruch aus § 49a Abs. 1 VwVfG zu lang bestimmt (2.).

1. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Zuwendungsbescheid trotz Eintritts der darin bestimmten auflösenden Bedingung in Ansehung von drei Tilgungsraten, also von 15 000 DM oder 7 669,38 €, fortbesteht. Das verletzt Bundesrecht. Damit entfällt auch die Grundlage für die weiteren Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der Zuwendungsbescheid biete weiterhin eine Rechtsgrundlage für eine Rückforderung dieses Teilbetrages, sei unverjährt und ohne Weiteres vollstreckbar und auch nicht durch den vorliegend angefochtenen Rückforderungsbescheid verändert oder ersetzt worden.

Keinen revisionsrechtlichen Bedenken begegnet freilich die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass der Zuwendungsbescheid für den Fall des Ausscheidens des Klägers aus der N. GmbH eine auflösende Bedingung enthält. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der Rückforderungsklausel. Dafür spricht jedoch aus der nach den §§ 133 , 157 BGB maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. September 1999 - 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286> und vom 27. Juni 2012 - 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222 Rn. 18), dass der Bescheid in Ziffer III. 1 auf die "Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P)" des Landes Rheinland-Pfalz (MBl. 1995 S. 121) verweist und Ziffer 9.2.3 ANBest-P für den Fall der Zweckverfehlung eine rückwirkende Rücknahme bzw. einen rückwirkenden Widerruf vorsieht, wenn nicht bereits eine auflösende Bedingung eingetreten ist. Ferner sieht die Nebenbestimmung Nr. III. 6 des Zuwendungsbescheides vor, dass dieser mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden kann, wenn der Förderzweck - Gründung und Erhaltung einer selbstständigen Existenz - auf eine andere Art und Weise entfällt. Vor diesem Hintergrund ist die streitgegenständliche Rückforderungsklausel dahin auszulegen, dass sie ebenfalls den (rückwirkenden) Wegfall des Zuwendungsbescheides bewirkt und als auflösende Bedingung im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG zu verstehen ist.

Das Oberverwaltungsgericht hat - das Revisionsgericht bindend - festgestellt, dass die auflösende Bedingung im März 2007 eingetreten ist. Seine Annahme, dass der Zuwendungsbescheid hinsichtlich der zuvor fällig gewordenen Raten als Grundlage fortbestehen soll, beruht jedoch nicht auf einer mit den §§ 133 , 157 BGB vereinbaren Auslegung des Wortlauts und des Kontexts der Rückforderungsklausel. Vielmehr zwingt die Formulierung, dass der Zuschuss "binnen zwei Monaten vollständig" zurückzuzahlen ist, zu der Annahme, dass der Zuwendungsbescheid bei Eintritt der auflösenden Bedingung insgesamt fortfällt und der noch offene Kredit in Gänze zurückzuzahlen ist. Ebenso sehen die für den Fall der Zweckverfehlung aufgenommenen Rückforderungsklauseln durchweg eine Rücknahme oder einen Widerruf der gesamten Zuwendung mit Wirkung für die Vergangenheit vor.

Das Oberverwaltungsgericht stützt seine gegenteilige Auffassung darauf, dass die Wirkung der auflösenden Bedingung entsprechend § 158 Abs. 2 BGB in der Regel nicht in die Vergangenheit gerichtet sei. Dabei vermischt es die Frage, ob der Zuwendungsbescheid vollständig oder teilweise entfällt, mit der davon unabhängigen Frage, ob dies ex nunc oder ex tunc geschieht. Ein Verwaltungsakt kann ex tunc oder ex nunc jeweils vollständig oder teilweise entfallen. Welche dieser vier Varianten vorliegt, muss durch Auslegung der zugrunde liegenden Bedingung und des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes ermittelt werden. Die Auslegung der konkreten Förderbedingung ergibt vorliegend, dass der Erstattungsanspruch den gesamten noch offenen Zuschussbetrag von 150 000 DM (= 76 693,78 €) umfasste.

2. Der Erstattungsanspruch ist in vollem Umfang verjährt. Für den Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG RP findet seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138 ) am 1. Januar 2002 nicht mehr die kenntnisunabhängige dreißigjährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB a.F., sondern die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB n.F. Anwendung.

a) Ob und unter welchen Voraussetzungen der Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 LVwVfG RP der Verjährung unterliegt, ist allerdings im Verwaltungsverfahrensgesetz nicht geregelt worden. Gleichwohl betrifft die Frage nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibles Recht. Da diese Vorschrift die Einheitlichkeit der Anwendung des Verwaltungsverfahrensrechts in Bund und Ländern sichern soll, ist sie auch anzuwenden, wenn - wie hier - die rechtlich zutreffende Schließung einer im Bundes- wie im Landesverwaltungsverfahrensgesetz gleichermaßen bestehenden Lücke hinsichtlich der Verjährungsregelungen in Rede steht (BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2016 - 10 C 8.15 - NVwZ 2016, 1577 Rn. 12).

b) Nach welchen Regeln sich die Verjährung allgemein im Öffentlichen Recht oder speziell im Verwaltungsverfahrensrecht richtet, ist allerdings auch durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht ausdrücklich geregelt worden. Fehlen einschlägige öffentlich-rechtliche Spezialregelungen, ist weiterhin im Wege der Analogie nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch maßgebenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche Verjährungsregelung als die "sachnächste" heranzuziehen ist (BVerwG, Urteile vom 15. Juni 2006 - 2 C 10.05 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 45 = [...] Rn. 19, vom 15. Mai 2008 - 5 C 25.07 - BVerwGE 131, 153 Rn. 26 und vom 11. Dezember 2008 - 3 C 37.07 - BVerwGE 132, 324 Rn. 8). Je nach Regelungszusammenhang und Interessenlage können für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche Verjährungsfristen von unterschiedlicher Dauer analog anzuwenden sein. Soweit das Bundesverwaltungsgericht für beamtenrechtliche Erstattungsansprüche - etwa aus § 12 BBesG -, für Erstattungsansprüche aus dem Bereich des Wohngeldrechtes und für einen Ersatzanspruch nach Art. 104a Abs. 2 GG die kurze dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. angewendet hat (Urteile 15. Juni 2006 - 2 C 10.05 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 45 = [...] Rn. 19, vom 15. Mai 2008 - 5 C 25.07 - BVerwGE 131, 153 Rn. 27 und vom 15. Juli 2016 - 9 A 16.15 - NVwZ 2017, 56 und [...] Rn. 34 ff.), steht dies deshalb nicht in Widerspruch dazu, etwa Ansprüche im Zusammenhang mit dem Vermögenszuordnungsgesetz einer dreißigjährigen Verjährungsfrist zu unterwerfen (BVerwG, Urteile vom 11. Dezember 2008 - 3 C 37.07 - BVerwGE 132, 324 Rn. 13 und vom 22. März 2012 - 3 C 21.11 - BVerwGE 142, 219 Rn. 38).

Hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG spricht Überwiegendes für eine analoge Anwendung der neuen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. Der Gesetzgeber hat zwar nicht im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, wohl aber im Rahmen des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2167 ) eine Anpassung des Verwaltungsverfahrensgesetzes an die neuen Verjährungsregeln vorgenommen und die das Verjährungsrecht berührenden Regelungen der §§ 53 ,102 VwVfG reformiert. Die Sonderregelung für die Hemmung der Verjährung in § 53 VwVfG zeigt, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von verjährbaren Ansprüchen ausgegangen ist. Die in § 102 VwVfG enthaltene Verweisung auf Art. 229 § 6 Abs. 1 bis 4 EGBGB belegt seine Vorstellung, dass die mit der Schuldrechtsnovelle vorgenommenen Änderungen des Verjährungsrechts grundsätzlich auch im Öffentlichen Recht Anwendung finden können. Sonst wäre der Verweis auf die Übergangsbestimmung des Art. 229 § 6 Abs. 1 bis 4 EGBGB überflüssig. Dementsprechend führt die Gesetzesbegründung aus: "Die Neufassung der Verjährungsregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch durch das Schuldrechts-Modernisierungs-Gesetz, die am 1. Mai 2002 in Kraft getreten ist, soll auch im Sozial- und allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes berücksichtigt werden" (BT-Drs. 14/9007 S. 26). Das legt bei dem Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine analoge Anwendung der neuen Verjährungsregeln des Bürgerlichen Rechts nahe.

Für die Anwendung der dreijährigen Regelverjährungsfrist spricht hierbei, dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG strukturell mit bereicherungsrechtlichen Ansprüchen verwandt ist, die nunmehr ebenfalls dieser Verjährungsfrist unterliegen. Sowohl im Rahmen des § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG als auch im Rahmen des bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsrechts geht es um die Rückabwicklung einer von Anfang an oder nachträglich rechtsgrundlos gewordenen Vermögensverschiebung. Dementsprechend ordnet § 49a Abs. 2 Satz 1 VwVfG für den Umfang der Erstattung mit Ausnahme der Verzinsung eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung an. Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in der Vergangenheit auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche in Ermangelung spezieller Verjährungsregeln die für bürgerlich-rechtliche Bereicherungsansprüche geltenden Verjährungsvorschriften, insbesondere die früher geltende dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. angewendet (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 3 C 37.07 - BVerwGE 132, 324 Rn. 10 m.w.N.). Sieht das Gesetz für die bereicherungsrechtlichen Ansprüche nach §§ 812 ff. BGB auf Grund einer Neubewertung der Sachlage in Anwendung der Grundsätze von Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit nunmehr eine kürzere, nämlich dreijährige kenntnisabhängige Verjährungsfrist als angemessen an, dann spricht der Gedanke der Sachnähe zum Bereicherungsrecht dafür, diese gesetzliche Neubewertung für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG nachzuvollziehen.

Demgegenüber überzeugen die Einwände gegen die entsprechende Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist im Bereich des § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht. Wenig gewichtig sind die Praktikabilitätsargumente, dass es im Hinblick auf die Bestimmung des subjektiven Elements der Kenntnis bei staatlichen Stellen Schwierigkeiten gebe oder dass die Einhaltung der dreijährigen Verjährungsfrist im staatlichen Bereich besondere Probleme verursache. Die staatliche Verwaltung ist im Rahmen ihrer fiskalischen und verwaltungsprivatrechtlichen Tätigkeit unmittelbar den bürgerlich-rechtlichen Verjährungsvorschriften unterworfen. Dort gelingt es ihr, die Dreijahresfrist einzuhalten. Auch hat die Rechtsprechung der Zivilgerichte Antworten auf die Frage gefunden, auf wessen subjektive Kenntnis es innerhalb einer Behörde ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2000 - III ZR 198/99 - NJW 2000, 1411 ff.; Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB , 14. Aufl. 2014, § 199 Rn. 14 ff. m.w.N.). Ebenso wenig überzeugt der Einwand, dass es mitunter nicht im Interesse des öffentlich-rechtlichen Gläubigers liegt, seinen Anspruch schnellstmöglich durchzusetzen. In diesen Fällen kann der öffentlich-rechtliche Gläubiger nach § 53 Abs. 1 VwVfG einen Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs erlassen und damit nach § 53 Abs. 2 VwVfG den Übergang in eine dreißigjährige Frist bewirken.

Ebenso wenig greift der Einwand durch, dass der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist die europarechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Rückforderung unionsrechtswidriger Beihilfen entgegenstehe. Da bei rechtswidrigen Beihilfen im Öffentlichen Recht regelmäßig zunächst die Rücknahme eines Bewilligungsbescheides erforderlich ist, stellt sich die Verjährungsfrage hier häufig nicht oder nicht in derselben Schärfe wie bei einer auf privatrechtlicher Grundlage gewährten Beihilfe. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof für den Fall einer rein privatrechtlichen Abwicklung der Beihilfe dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz gegenüber der Verjährungseinrede dadurch Geltung verschafft, dass er es dem Empfänger einer unionsrechtswidrigen Beihilfe nach § 242 BGB i.V.m. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verwehrt, sich auf eine zwischenzeitlich eingetretene Verjährung des Rückforderungsanspruchs zu berufen. Ein Beihilfeempfänger muss sich als sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer darüber informieren, ob Zuwendungen mit Beihilfecharakter bei der Europäischen Kommission angemeldet und genehmigt worden sind. Missachtet er diese Obliegenheit, kann ihm nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Berufung auf die Verjährungseinrede verwehrt sein (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 136/09 - EuZW 2011, 440 Rn. 43 ff.). Da für die Verjährung im Öffentlichen Recht nichts anderes gelten kann, stellt diese Fallkonstellation die grundsätzliche Anwendbarkeit der dreijährigen Regelverjährung nicht in Frage.

c) Die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Kenntnis hat die Beklagte im Juli 2007 erlangt, als der Kläger ihr sein Ausscheiden aus der Gesellschaft mitgeteilt hat. Daher hat die Verjährung zum Ende des Jahres 2007 zu laufen begonnen.

Die dreijährige Verjährungsfrist war allerdings - wie die Beklagte zutreffend ausführt - zeitweise nach § 203 Satz 1 BGB gehemmt. Nach dieser im Öffentlichen Recht ebenfalls entsprechend anwendbaren Vorschrift (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2016 - 9 A 16.15 - NVwZ 2017, 56 und [...] Rn. 40 und Beschluss vom 20. Januar 2014 - 2 B 2.14 - [...] Rn. 8) ist die Verjährung für die Dauer von Verhandlungen zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner gehemmt. Nach dem Wortlaut des § 203 Satz 1 BGB genügt es, wenn Verhandlungen über die anspruchsbegründenden Umstände geführt werden. Demzufolge kommt es nicht darauf an, ob die Parteien die gesetzliche Anspruchsgrundlage korrekt bestimmt haben. Der Begriff "Anspruch" ist im Rahmen des § 203 Satz 1 BGB nicht im Sinne einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage, sondern weiter im Sinne eines aus einem Sachverhalt hergeleiteten Begehrens auf Befriedigung eines Interesses zu verstehen (BT-Drs. 14/6040 S. 112). Da der Lebenssachverhalt von den Parteien regelmäßig in seiner Gesamtheit verhandelt wird, werden grundsätzlich sämtliche Ansprüche, die der Gläubiger aus dem Sachverhalt herleiten kann, von der Hemmung der Verjährung erfasst (BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 285/12 - NJW-RR 2014, 981 Rn. 12).

Wird - wie hier - über die Rückzahlung eines offenen Darlehens verhandelt, ist im Zweifel auch die Rückzahlung der offenen Zinsen Verhandlungsgegenstand. Ebenso ist bei Wegfall eines durch Verwaltungsakt gewährten Darlehens der an dessen Stelle tretende öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 VwVfG Gegenstand des Begehrens. Er bildet lediglich eine alternative Rechtsgrundlage für das gleiche verhandelte Interesse an der Rückzahlung der offenen Verbindlichkeiten. Im vorliegenden Fall schwebten bereits bei Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft Verhandlungen, die auf die Befriedigung des Interesses der Beklagten an einer Regulierung des gesamten Darlehens zielten. Im Schreiben vom 7. Juli 2007 schlug der Kläger der Beklagten eine Gesamtregulierung durch einen Teilerlass und eine Teilzahlung in Höhe von 50 000 € vor. Dies nahm die Beklagte zum Anlass für umfangreiche Nachfragen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers und der N. GmbH.

Diese Verhandlungen kamen allerdings nach einiger Zeit zum Erliegen. Nach § 203 Satz 1 BGB wird die Verjährung durch schwebende Verhandlungen nur so lange gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Dem Abbruch der Verhandlungen durch eindeutige Erklärung steht das Einschlafenlassen der Verhandlungen gleich, bei dem die Verjährungshemmung zu dem Zeitpunkt endet, zu dem unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben mit dem nächsten Verhandlungsschritt zu rechnen gewesen wäre (BT-Drs. 14/6040 S. 112; BGH, Urteil vom 8. November 2016 - VI ZR 594/15 - MDR 2017, 86 Rn. 16). Im vorliegenden Fall konnte der Kläger nach Abgabe aller erheblichen Informationen im April 2008 erwarten, dass die Beklagte mit ihm über die ursprünglich von beiden Seiten erstrebte einvernehmliche Gesamtregulierung weiterverhandeln würde. Die Beklagte hat die Einigungsgespräche jedoch - wohl im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Klägers - nicht weiterbetrieben. Räumt man der Beklagten eine mehr als dreimonatige Bedenkfrist ein, war jedenfalls Ende August 2008 die Verjährungshemmung beendet. Nach § 199 Abs. 1 i.V.m. § 209 BGB ist am 1. September 2008 die dreijährige Verjährungsfrist an- und somit am 31. August 2011 abgelaufen. Innerhalb dieser Frist sind die Verhandlungen nicht wieder aufgenommen worden, so dass der Anspruch bei seiner Geltendmachung im Rückforderungsbescheid vom 16. August 2012 bereits verjährt war.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO .

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 76 693,78 € festgesetzt.

Verkündet am 15. März 2017

Vorinstanz: VG Koblenz, vom 08.12.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 3 K 1066/13 KO
Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 17.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 6 A 10633/15
Fundstellen
BVerwGE 158, 199
NJW 2017, 10
NVwZ 2017, 969