BGH, Urteil vom 29.06.2006 - Aktenzeichen IX ZR 119/04
Umfang der Zwangsverwaltung; Verfolgung von Ansprüchen auf Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen durch den Zwangsverwalter
»a) Der Anspruch auf Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen unterfällt nicht der Beschlagnahme im Wege der Zwangsverwaltung.b) Die Befugnis des Zwangsverwalters, auch solche Ansprüche zu verfolgen, die sich aus einer rechtsgrundlosen Benutzung der der Zwangsverwaltung unterliegenden Sache sowie der Verletzung von Besitzrechten ergeben, erlischt, wenn die Zwangsverwaltung nach Erteilung des Zuschlags im Wege der Zwangsversteigerung aufgehoben wird.«
Tatbestand:
Der Beklagte ist Konkursverwalter der Sch. GmbH (i.F.: Schuldnerin). Die Klägerin geht aus abgetretenem Recht des Zwangsverwalters in dem Zwangsverwaltungsverfahren betreffend ein Grundstück in D. (Grundbuch von R. Bl. ... Flst-Nr. ...) vor.
Der Schuldner des späteren Zwangsverwaltungsverfahrens hatte dieses Grundstück an die M. GmbH verpachtet, über deren Vermögen später das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet wurde. Der Gesamtvollstreckungsverwalter jenes Verfahrens schloss mit der Schuldnerin einen Unterpachtvertrag über das Grundstück. Auf Antrag der Klägerin, die aus einer Grundschuld vollstreckte, ordnete das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 19. März 1999 die Zwangsverwaltung des Grundstücks an. Nachdem auch über das Vermögen der Schuldnerin das Konkursverfahren eröffnet worden war, verpachtete der Beklagte als Konkursverwalter das Grundstück in einem weiteren Unterpachtvertrag vom 26. März 1999 an die S. GmbH.
Das zwischen der M. GmbH und dem Schuldner des Zwangsverwaltungsverfahrens bestehende Hauptpachtverhältnis endete am 31. Dezember 1999, der Unterpachtvertrag zwischen dem Beklagten und der S. GmbH am 31. Dezember 2000. Die S. GmbH nutzte das Grundstück in der Folgezeit jedoch weiter.
Am 16. März 2001 wurde das Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung veräußert. Die Zwangsverwaltung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 2. Mai 2001 uneingeschränkt aufgehoben.
Aufgrund einer Abtretung vom 22. Januar 2003 verlangt die Klägerin von dem Beklagten für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2000 Herausgabe der Pachtzahlungen der S. GmbH in Höhe von monatlich 5.400 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Für die Zeit vom 1. Januar bis 16. März 2001 verlangt sie Nutzungsersatz in derselben Höhe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat gemeint, der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB auf Zahlung der vereinnahmten Pacht für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2000 zu. Der Zwangsverwalter habe die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten. Auch Forderungen aus Untermiet- oder Unterpachtverhältnissen seien von der hypothekarischen Haftung und damit von der Beschlagnahme durch die Anordnung der Zwangsverwaltung erfasst. Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung folge aus § 987 Abs. 2 in Verbindung mit § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB . Dieser Anspruch unterliege als ein mit dem Eigentum an dem Grundstück verbundenes Recht auf wiederkehrende Leistung der Beschlagnahme in der Zwangsverwaltung.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Durch den Abtretungsvertrag vom 22. Januar 2003 konnte die Klägerin einen Anspruch des Zwangsverwalters aus § 816 Abs. 2 BGB auf Herausgabe der vom Beklagten vereinnahmten Pachtzahlungen der S. GmbH für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2000 nicht erwerben. Dabei kann dahinstehen, ob und inwieweit der Zwangsverwalter befugt ist, beschlagnahmte Forderungen abzutreten (vgl. Böttcher, ZVG 4. Aufl. § 152 Rn. 37; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG 12. Aufl. § 152 Rn. 30; Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung 2. Aufl. Rn. 376; Haarmeyer Rpfleger 2000, 30 , 32; Vonnemann Rpfleger 2002, 415 , 418 f.). Denn der Zwangsverwalter hatte gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Herausgabe der Pachtzahlungen gemäß § 816 Abs. 2 BGB (zur Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts vgl. BGH, Urt. v. 28. Juni 1967 - VIII ZR 59/65, NJW 1968, 197 ; Staudinger/Gursky, BGB Neubearbeitung 2006 Vorbem. zu §§ 987 -993 Rn. 21 ff. m.w.N.). Er war insoweit nicht Berechtigter im Sinne der Vorschrift. Der Anspruch des Beklagten aus dem Unterpachtvertrag mit der S. GmbH ist von der Zwangsverwaltung nicht erfasst worden.
aa) Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden, die Beschlagnahme durch Anordnung der Zwangsvollstreckung erfasse Forderungen aus einem Untermiet- oder Unterpachtverhältnis grundsätzlich nicht, es sei denn, der Hauptmiet- oder Hauptpachtvertrag sei wegen Vereitelung der Gläubigerrechte nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig (BGH, Urt. v. 4. Februar 2005 - V ZR 294/03, WM 2005, 610 , 612). Anhaltspunkte dafür, dass die genannte Bedingung in dem hier gegebenen Fall erfüllt sein könnte, bestehen nicht. Somit verbleibt es bei dem Grundsatz, dass die Beschlagnahme durch Anordnung der Zwangsverwaltung nur die Forderungen aus dem Hauptpachtvertrag erfasst (§ 148 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 2 ZVG ). Denn Gläubiger des Eigentümers haben keinen Anspruch darauf, sich aus schuldnerfremdem Vermögen zu befriedigen. Dass das Hauptpachtverhältnis am 31. Dezember 1999 endete, ist dem vom V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (aaO.) entschiedenen Fall, in dem der Unterverpächter nur formell die Stellung als Forderungsinhaber einnahm, nicht gleich zu achten. Hier wurden die Erträge nicht auf den Unterverpächter verlagert, um sie dem Zugriff der Gläubiger des Eigentümers zu entziehen. Diesem verblieb der Anspruch auf Nutzungsentschädigung (§ 584b BGB ), auf den dessen Gläubiger zugreifen konnten. Auf diesen Anspruch erstreckt sich auch die Beschlagnahme im Wege der Zwangsverwaltung (Stöber, ZVG 18. Aufl. § 148 Anm. 2.3 Buchst. g; vgl. auch BGH, Urt. v. 23. Juli 2003 - XII ZR 16/00, NJW-RR 2003, 1308 zu § 557 Abs. 1 BGB a.F.). Damit ist der Zweck sowohl des § 148 ZVG als auch des § 1123 Abs. 1 BGB erfüllt; der Gläubiger erhält dafür, dass der Grundstückseigentümer das ihm zustehende Benutzungs- und Fruchtziehungsrecht wirksam auf den Pächter übertragen hat (§ 152 Abs. 2 ZVG ), den Zugriff auf die diese Einbuße ausgleichende Pachtzinsforderung (vgl. Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2002] § 1123 Rn. 1; Stöber, aaO. § 148 Anm. 2.3. Buchst. a). Zwar ist der Hauptpächter hier insolvent geworden; doch ist dies lediglich ein äußerlicher, die haftungsrechtliche Zuordnung der Ansprüche nicht beeinflussender Umstand.
bb) Sofern die Revisionserwiderung dahin zu verstehen sein sollte, dem Grundstückseigentümer stehe auch für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2000 ein Anspruch aus § 987 Abs. 2 , § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, könnte dem nicht gefolgt werden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 559 ZPO ) hatte der Beklagte Kenntnis von seinem fehlenden Besitzrecht (erst) nach dem 31. Dezember 2000 erlangt.
b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 16. März 2001. Auch insoweit ging die Abtretung durch den ehemaligen Zwangsverwalter ins Leere. Ob der Grundstückseigentümer, wie das Berufungsgericht meint, für den genannten Zeitraum gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 987 Abs. 2 , § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB erworben hatte, kann daher dahinstehen.
aa) Ein solcher - neben § 584b BGB bestehender (vgl. BGH, Urt. v. 28. Juni 1967 - VIII ZR 59/65, NJW 1968, 197 zu § 597 BGB ) - Anspruch unterfällt nicht der Beschlagnahme nach §§ 146 , 148 ZVG (offen gelassen in BGHZ 71, 216 , 220). Mit der Anordnung der Zwangsverwaltung werden im Wesentlichen die Miet- und Pachtzinsforderungen beschlagnahmt (§ 148 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 2 , 21 Abs. 2 ZVG , § 1123 BGB ; vgl. BGHZ 109, 171 , 173), wozu der Anspruch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis auf Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen (§ 987 Abs. 2 , § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB ) nicht gehört. Zwar ist in der Rechtsprechung eine aus der gesetzlichen Systematik hergeleitete Erstreckung der Beschlagnahme der Pachtzinsforderung auf einen Schadensersatzanspruch nach § 19 Satz 3 KO oder eine entsprechende Surrogation angenommen worden (OLG Frankfurt am Main NJW 1981, 235 , 236; LG Frankfurt am Main NJW 1979, 934 f.). Dem kann hier aber schon deshalb keine Bedeutung zukommen, weil, wie sich aus den Ausführungen zu Ziff. 2a aa ergibt, der Anspruch aus § 990 Abs. 1 Satz 2, § 987 Abs. 2 BGB nicht einen gegen den Beklagten gerichteten, beschlagnahmten Pachtzinsanspruch ersetzt. Die Annahme der Revisionserwiderung, der Nutzungsersatzanspruch zähle zu den Erzeugnissen des Grundstücks, geht fehl.
Bei diesem Anspruch handelt es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht um einen Anspruch aus einem mit dem Eigentum an dem Grundstück verbundenen Recht auf wiederkehrende Leistungen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ergreift die Beschlagnahme jenen Anspruch nicht (§ 148 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 2 ZVG , § 1126 BGB ). Hiervon erfasst werden wiederkehrende Leistungen aus subjektiv-dinglichen Rechten, die nach § 96 BGB als Bestandteile des Grundstücks gelten (vgl. Böttcher, aaO. § 148 Rn. 13; Staudinger/Wolfsteiner, aaO. § 1126 Rn. 1). Dazu gehört der auf eine grundsätzlich einmalige Ersatzleistung gerichtete schuldrechtliche Anspruch aus § 987 Abs. 2 BGB nicht.
bb) Allerdings ist der Verwalter nicht darauf beschränkt, nur die mit der Anordnung der Zwangsverwaltung beschlagnahmten Ansprüche geltend zu machen. Die nach § 152 Abs. 1 ZVG bestehende Aufgabe des Verwalters, für eine ordnungsgemäße Nutzung und Verwaltung des Grundstücks zu sorgen, schließt die Befugnis ein, auch solche Ansprüche zu verfolgen, die sich aus einer rechtsgrundlosen Benutzung der der Zwangsverwaltung unterliegenden Sache sowie der Verletzung von Besitzrechten ergeben. Die Durchsetzung dieser Rechte dient dazu, eine Schmälerung der nach § 155 ZVG zu verteilenden Nutzungen abzuwenden (BGHZ 109, 171 , 173 f.; BGH, Urt. v. 14. Mai 1992 - IX ZR 241/91, NJW 1992, 2487 ; v. 23. Juli 2003 - XII ZR 16/00, NJW-RR 2003, 1308 ).
Diese Befugnis erlischt jedoch, wenn die Zwangsverwaltung - wie hier - aufgehoben wird. Dabei kommt es nicht auf die Frage an, ob und welche Befugnisse der Verwalter nach der Aufhebung der Zwangsverwaltung wegen Erteilung des Zuschlags hat, etwa, ob er noch neue Prozesse anhängig machen kann (so beiläufig BGHZ 71, 216 , 220; BAG AP § 613a BGB Nr. 19 unter I. 3. Buchst. b; ebenso OLG Stuttgart NJW 1975, 265 , 266; offen gelassen in BGH, Urt. v. 25. Mai 2005 - VIII ZR 301/03, NJW-RR 2006, 138 , 139; a.A. LG Frankfurt am Main Rpfleger 2000, 30 mit zust. Anm. Haarmeyer; Wrobel KTS 1995, 19 , 35 ff.). Etwa verbleibende Befugnisse des Verwalters werden aus seiner Aufgabe abgeleitet, die Verwaltung der Zwangsverwaltungsmasse, zu der die Nutzungen aus der Zeit vor der Wirksamkeit des Zuschlags zählen, ordnungsgemäß abzuwickeln (vgl. BGHZ 155, 38 , 42; BGH, Beschl. v. 7. Februar 1990 - VIII ZR 98/89, WM 1990, 742 f.; Urt. v. 21. Oktober 1992 - XII ZR 125/91, NJW-RR 1993, 442 f.; Stöber, aaO. § 161 Anm. 3.11). Ansprüche, die nicht beschlagnahmt sind, unterfallen jedoch nach Aufhebung der Beschlagnahme nicht mehr einer gegebenenfalls fortdauernden Verfügungsbefugnis des ehemaligen Zwangsverwalters. Mit dem Wirksamwerden des Aufhebungsbeschlusses verliert der Zwangsverwalter seine ihm kraft hoheitlichen Amtes übertragenen Befugnisse. Offene Forderungen kann er weder einziehen noch einklagen (BGH, Urt. v. 25. Mai 2005 - VIII ZR 301/03, NJW-RR 2006, 138 , 139). Seine Befugnisse beziehen sich nur noch auf diejenigen Miet- oder Pachtansprüche, auf welche sich die Beschlagnahme erstreckt; zur Geltendmachung nicht von der Beschlagnahme erfasster Gegenstände ist er nicht berechtigt (BGH, Urt. v. 27. Januar 1954 - VI ZR 257/52, ZMR 1954, 172 , 173). Sein Amt gründet sich allein auf die Bestellung durch das Vollstreckungsgericht (BGHZ 96, 61 , 68). Ob sich etwas anderes ergibt, wenn das Vollstreckungsgericht dem früheren Verwalter die Einziehung nicht beschlagnahmter Forderungen in dem Aufhebungsbeschluss vorbehält, bedarf hier keiner Entscheidung; einen solcher Vorbehalt enthält der Beschluss vom 2. Mai 2001 nicht. Der einzige in den Beschluss aufgenommene Zusatz - "Die Beschlagnahme ist weggefallen" - macht vielmehr deutlich, dass das Vollstreckungsgericht dem Verwalter keine auf unbestimmte Zeit fortwirkenden Verwaltungsbefugnisse einräumen wollte; eine gegenteilige Auslegung verbietet sich auch aus Gründen der Rechtssicherheit.
3. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, hat der Senat selbst eine Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO ) und das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
Hinweise:
Anmerkung Wedekind ZfIR 2006, 733