Nutzung einer Wohnung als Ferienwohnung zulässig?
So wirkt sich die Entscheidung auf Ihr Mandat aus:
Was unter Wohnnutzung zu verstehen ist, ist umstritten und bislang höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt. Ein Anwalt sollte deshalb nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss die abweichenden Entscheidungen darlegen, um so eine mündliche Verhandlung mit Zulassung der Revision zu ermöglichen.
LG Karlsruhe, Hinweisbeschl. vom 07.04.2009 — 11 S 56/08; Beschl. vom 06.05.2009 (Zurückweisung der Berufung)
Leitsatz:
1. Die Vermietung einer Wohnung als Ferienwohnung stellt keine Ausübung eines Gewerbes in der Wohnung dar.
2. Die Nutzung einer Wohnung als Ferienwohnung in einer Feriengegend in einer Wohnanlage mit 24 Wohnungen verstößt nicht gegen die Zweckbestimmung „Wohnung“ der Teilungserklärung und ist somit keine unzulässige Gebrauchsausübung.
Darum geht es:
Die Kläger und die Beklagten sind jeweils Eigentümer einer von insgesamt 24 Wohnungen in der WEG W in Konstanz. Die 4,5 Zimmer-Wohnung der Beklagten hat ca. 100 m² und liegt im zweiten Stock direkt über der Wohnung der Kläger. Die Teilungserklärung vom 30.04.2001 bezeichnet das Wohnungseigentum an zahlreichen Stellen mit „Wohnung“. In Teil I § 4 ist geregelt, dass für die berufliche oder gewerbliche Nutzung einer Wohnung die schriftliche Zustimmung des Verwalters erforderlich ist. Die Zustimmung steht im Ermessen des Verwalters, der sie jedoch nur erteilen darf, wenn eine ins Gewicht fallende Belästigung der anderen Mitbewohner vermieden werden kann. Die Beklagten vermieten ihre Wohnung hauptsächlich in den Sommermonaten tage- oder wochenweise an gleichzeitig angeblich bis zu acht ständig wechselnde Feriengäste. Die Kläger beantragen, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, die Wohnung mit einer kürzeren Laufzeit als drei Monate zu vermieten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger. Die Berufung blieb ohne Erfolg.
Wesentliche Entscheidungsgründe:
Der von den Klägern verfolgte Unterlassungsanspruch wäre nur begründet, wenn die kurzzeitige Vermietung an Feriengäste entweder als gewerbliche Tätigkeit der Beklagten zu qualifizieren wäre oder wenn die Zweckbestimmung als „Wohnung“ nicht gewahrt wäre.
Das Landgericht hat eine gewerbliche Nutzung der Wohnung verneint. Die Vermietung einer Wohnung als Ferienwohnung stelle nur dann einen Gewerbebetrieb dar, wenn die Vermietung mit einem gewerblichen Beherbergungsunternehmen vergleichbar sei. Für gewerbliche Nutzung sei nicht ausreichend, dass die Beklagten die Gäste begrüßen, ihnen die Schlüssel übergeben, die Ausweisdaten notieren, die Wohnung reinigen, die Bettwäsche zur Verfügung stellen und wechseln sowie die Kurtaxe errechnen und an die Stadt weiterleiten. Insbesondere sei auch nicht von Bedeutung, dass die Beklagten eine Internetseite unterhalten, über welche die Belegung erfragt werden könne und über die auch eine Buchung möglich sei.
Die Nutzung einer Wohnung als Ferienwohnung in einer Feriengegend in einer Wohnanlage mit 24 Wohnungen verstoße nicht gegen die Zweckbestimmung „Wohnung“ der Teilungserklärung und sei somit keine unzulässige Gebrauchsausübung. Für eine Wohnnutzung sei keine Mindestaufenthaltsdauer erforderlich. Die Vermietung an kurzfristig wechselnde Feriengäste sei eine Wohnnutzung. Soweit sich die Kläger daran stören, dass aufgrund der Vermietung regelmäßig ihnen nicht bekannte Personen im Treppenhaus anzutreffen seien, stehe der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Blick auf das dadurch beeinträchtigte Sicherheitsgefühl der übrigen Hausbewohner die Möglichkeit offen, beispielsweise zu regeln, dass die Hauszugangstüren (immer) abgeschlossen sein müssen.
Praxishinweis:
Die Entscheidung lässt sich nicht verallgemeinern. Dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung der Kammer durch Urteil nicht erfordert, wird vom Landgericht zwar behauptet, nicht aber begründet.
Eine Zurückweisung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO kommt dann nicht in Betracht, wenn es sich um klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen handelt, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (BVerfG, Beschl. v. 04.11.2008 — 1 BvR 2587/06, DRsp Nr. 2008/21717 = AnwBl 2009, 75 = NJW 2009, 572).
Was unter Wohnnutzung zu verstehen ist, ist umstritten und bislang höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt. Ein Anwalt sollte deshalb nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss die abweichenden Entscheidungen darlegen, um so eine mündliche Verhandlung mit Zulassung der Revision zu ermöglichen.
Das Landgericht hat die ergangenen Entscheidungen sehr einseitig ausgewertet.
So hat das KG (Beschl. v. 31.05.2007 — 24 W 276/06, ZMR 2008, 406; vgl. auch Beschl. v. 02.07.2007 — 24 W 34/07, DRsp Nr. 2007/13165 = ZMR 2007, 803) entschieden, dass Vermietung der Wohnung an einen ständig wechselnden Personenkreis über eine Wohnnutzung hinausgeht. Eine Wohnnutzung ist durch das auf Dauer angelegte Bewohnen durch denselben Nutzer geprägt, der an seiner baulichen und sozialen Umgebung ein Mindestmaß an Interesse aufbringt und seine Haushaltsführung mehr oder weniger selbst gestaltet. Dies ist bei ständig wechselnden Bewohnern in kürzeren Zeitabständen jedoch nicht der Fall. Die pensionsartige Nutzung der Wohnung durch den Antragsgegner rechtfertigt bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise die Annahme, dass die Nutzung über eine solche zu Wohnzwecken hinausgeht.
Das OLG Saarbrücken (Beschl. v. 03.02.2006 — 5 W 125/05, NZM 2006, 590) hat eine Nutzung zu sogenannten boarding-house-Zwecken (Beherbergung) untersagt, da ein ständiger Wechsel der Bewohner in kürzeren Zeitabständen die Annahme einer pensions- oder hotelartigen Nutzung rechtfertigt, die über eine Nutzung zu Wohnzwecken hinausgeht (unter Hinweis auf BayObLG, Beschl. v. 28.11.1991 — BReg 2 Z 133/91, DRsp Nr. 1993/3702 = NJW 1992, 917; KG Berlin, Beschl. v. 10.07.1992 — 24 W 3030/92, DRsp Nr. 1993/1563 = NJW 1992, 3045; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.08.1992 — 8 W 219/92, DRsp Nr. 1993/2223 = NJW 1992, 3046). Dabei sei nicht auf die tatsächliche Verweildauer abzustellen, sondern darauf, ob zu Beginn des Wohngebrauchs mit einer längeren Aufenthaltsdauer zu rechnen ist. Die ständig wechselnden Bewohner erhöhen die Anonymität zwischen den Nachbarn und verringern das Sicherheitsgefühl der anderen Wohnungseigentümer. Die Vereinbarkeit mit dem nach der Teilungserklärung zulässigen Wohngebrauch setzt deshalb nach Ansicht des OLG Stuttgart (Beschl. v. 13.08.1992 — 8 W 219/92, DRsp Nr. 1993/2223 = NJW 1992, 3046) voraus, dass im Zeitpunkt der Zuweisung der Aussiedler nicht mit einem früheren Personenwechsel als etwa 1/2 Jahr zu rechnen ist.
Nach der gebotenen abstrakten, typisierenden Betrachtungsweise hatte das Landgericht zudem Zweifel, ob eine kurzzeitige Vermietung an Feriengäste insbesondere in den Sommermonaten (wesentlich) mehr stört als eine ganzjährige Wohnnutzung. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich Feriengäste prinzipiell weniger rücksichtsvoll verhalten als Dauermieter.
Wenn das Landgericht Zweifel hatte, so wäre diesen Zweifeln nachzugehen gewesen. Nach dem Sachverhalt wurde die Wohnung täglich vermietet. Dass ein ständiger Einzug- und Auszug zu erheblichen Lärmbelästigungen führen kann, ist offensichtlich. Nach der typisierenden Betrachtungsweise ist aus meiner Sicht auch nicht darauf abzustellen, ob die Ferienwohnung in einem Feriengebiet liegt. Denn für den Wohnungseigentümer kommt es allein auf die konkrete Zweckbestimmung an. Wohnungseigentümer haben sowohl in als auch außerhalb von Feriengebieten das Recht auf Vermeidung unzumutbarer Störungen. Zudem ist die Behauptung des Landgerichts, Feriengäste würden im gleichen Umfang Rücksicht auf die Mitbewohner nehmen, nicht belegt. Wer sich kennt, wird vielmehr rücksichtsvoller sein als derjenige, der am nächsten Tag abreist, was so auch andere Oberlandesgerichte entschieden haben.
Ein Trost bleibt. Da die übrigen Wohnungseigentümer entgegen §§ 48 Abs. 1, 43 Nr. 1 WEG nicht beigeladen wurden — sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht haben dies unterlassen — trifft die nicht beteiligten Wohnungseigentümer nicht die Rechtskraftwirkung der Entscheidung, § 48 Abs. 3 WEG (vgl. Jarsumbek/Schmieder, in: Hannemann/Weber § 8 Rdn. 92 ff.). Durch einen anderen Wohnungseigentümer ließe sich daher ein erneuter Unterlassungsversuch starten.
Weiterführende Informationen in rechtsportal.de/mietrecht:
- Rechtsprechung, BFH, Urt. v. 06.11.2001 — IX R 97/00
- Bibliothek, Handbuch WEG-Recht, "Einzelfälle für Begriffsbestimmungen im Hinblick auf Gebrauchsregelungen"