Mietminderung bei Lärm vom Nachbargrundstück
Sachverhalt
Eine Mieterin zog 1984 in eine Wohnung, die sich im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg befand. Die Mietwohnung war zum ersten Hinterhof des Mietshauses ausgerichtet. Nachdem ihr Vermieter seine Räumlichkeiten im Bereich des zweiten Hinterhofes des Mehrfamilienhauses an einen Hotelier vermietet hatte, betrieb dieser darin ab Januar 2014 einen Beherbergungsbetrieb, der über 60 Zimmer, Apartments und Ferienwohnungen verfügte.
Die Mieterin machte einen Anspruch auf Minderung ihrer Miete i.H.v. 20 % geltend. Sie berief sich darauf, dass von den Übernachtungsgästen eine erhebliche Lärmbelästigung ausgehe. Auch an Werktagen brächten die Belieferung und Beherbergung von etwa 60 bis 70 Gästen viel Lärm mit sich. Die Gäste beträten und verließen das Hotel teilweise im Minutentakt. Dabei nutzten sie einen mit Steinpflaster gepflasterten Weg, der sich unterhalb ihrer Wohnung befinde. Sie sei auch nachts einer erheblichen Lärmbelästigung ausgesetzt.
Ihr Vermieter bestritt die Lärmbelästigung pauschal und erkannte die Mietminderung nicht an. Deshalb verklagte sie ihn auf Rückzahlung der zu viel bezahlten Miete i.H.v. etwa 1.000 €. Dabei setzte sie eine Minderungsquote i.H.v. 20 % an. Nachdem das AG Berlin ihre Klage abgewiesen hatte, legte sie gegen das Urteil erfolgreich Berufung ein.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Das LG Berlin entschied mit Urteil vom 11.08.2016 (67 S 162/16), dass die Mieterin ihre Miete in der angesetzten Höhe mindern durfte. Sie hatte hinreichend dargelegt, dass sie in ihrer Wohnung aufgrund des Hotelbetriebs einer erheblichen Lärmbelästigung ausgesetzt war. Hierzu führten die Richter aus, dass bei einem Betreiben eines Hotels in Metropolen wie Berlin üblich ist, dass die Gäste ihre Unterkunft mehrmals täglich verlassen und erst mitten in der Nacht nach Hause kommen.
Dadurch kommt es automatisch zu einer hohen Lärmbelästigung, ohne dass die Mieterin dies nachweisen muss. Hierin liegt ein Mietmangel i.S.v. § 536 BGB Abs. 1 BGB, denn die Wohnung entsprach infolge dieses Lärms nicht den üblichen Mindeststandards. Dass eine Wohnung den üblichen Mindeststandards entsprechen muss, braucht nicht ausdrücklich im Mietvertrag vereinbart zu werden.
Das Gericht stellte auch klar, dass die Geltendmachung eines Minderungsanspruchs nicht nach § 536b BGB ausgeschlossen war. Ein Ausschluss setzt voraus, dass der Mieterin zumindest eine grobfahrlässige Unkenntnis des Mietmangels vorzuwerfen wäre. Davon kann hier nach den Feststellungen des Gerichts keine Rede sein. Die Mieterin brauchte zumindest beim Abschluss des Mietvertrags nicht mit einer derartigen Nutzung des unmittelbaren Wohnumfelds rechnen.
Dies gilt vor allem deshalb, weil der Betrieb eines Hotels im Bereich des Hinterhofs einer Wohnanlage selbst in Berlin als eine atypische Nutzung anzusehen ist. Darüber hinaus ergibt sich eine grob fahrlässige Unkenntnis des Mietmangels nicht bereits daraus, dass sich ein Mieter beim Abschluss des Mietvertrags unzutreffende Vorstellungen über die künftige Nutzungsentwicklung macht.
Das LG Berlin hat in seinem Urteil die Revision zum BGH nicht zugelassen.
Folgerungen aus der Entscheidung
Das LG Berlin hat durch seine Entscheidung die Stellung des Mieters bei Lärmbelästigungen gestärkt. In ähnlicher Richtung geht die Entscheidung des LG Berlin vom 16.06.2016 (67 S 76/16), wonach einem Mieter bei erheblichem Baulärm von einer Großbaustelle ein Anspruch auf Mietminderung zusteht. Zumindest laut der 67. Zivilkammer des LG Berlin kann sich der Mieter auch auf einen Mietmangel berufen, wenn die Lärmbelästigungen von einem Nachbargrundstück eines Dritten ausgehen. Das gilt selbst dann, wenn dem Vermieter gegenüber dem Eigentümer jenes Grundstücks keinen Anspruch auf Abwehr oder Entschädigung zusteht. Abzuwarten bleibt, ob sich diese Auffassung innerhalb der Rechtsprechung durchsetzt.
Aus diesem Urteil ergibt sich zugleich, dass bei offensichtlichen Lärmbelästigungen – etwa durch eine Großbaustelle oder einem Hotel – keine zu strengen Anforderungen an die Darlegungslast gestellt werden dürfen. Das LG Berlin hat in beiden Fällen das Führen eines Lärmtagebuches für überflüssig gehalten.
Praxishinweis
Mieter sollten auch bei großen Lärmbelästigungen optimalerweise dennoch ein Lärmtagebuch führen. Darin sollte festgehalten werden, was für Lärmbelästigungen innerhalb des Tages und in der Nacht aufgetreten sind. Wichtig ist vor allem, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz die Störungen aufgetreten sind. Hierbei reichen ungefähre Angaben aus. Am besten sollten diese von Dritten – wie etwa Nachbarn – bestätigt werden. Inwieweit Mieter mit der Errichtung eines Hotels rechnen müssen, hängt auch von der erlaubten Nutzung des Grundstücks im Bebauungsplan ab.
Mieter sollten sich auch den Mietvertrag genau durchlesen und darauf achten, inwieweit die Berufung auf einen Mietmangel eingeschränkt ist. Vermieter sollten besser von der Nutzung eines Gebäudekomplexes für Mietwohnungen und für Hotelzimmer absehen. Denn hier kommt es gewöhnlich schnell zu Konflikten zwischen Touristen und Mietern.