Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des OLG Braunschweig (Stand: 01.01.2021)
Die Familiensenate des OLG Braunschweig verwenden die unterhaltsrechtlichen Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall. Die Leitlinien dienen dem Zweck, die Rechtsprechung der Senate zu vereinheitlichen. Sie haben jedoch keine bindende Wirkung und können insbesondere die Prüfung des Einzelfalls nicht ersetzen. Das Tabellenwerk der Düsseldorfer Tabelle ist angefügt. Die Erläuterungen werden durch nachfolgende Leitlinien ersetzt.
Unterhaltsrechtliches Einkommen:
Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt und ob es um die Bemessung des Bedarfs oder die Feststellung der Bedürftigkeit bzw. Leistungsfähigkeit geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit den steuerrechtlichen Einkünften.
1. Geldeinnahmen: |
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2. Sozialleistungen
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3. Kindergeld Kindergeld wird nicht zum Einkommen gerechnet (vgl. Nr. 14). |
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4. Geldwerte Zuwendungen Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers (z.B. Firmenwagen, kostenlose oder verbilligte Wohnung, unentgeltliche Verpflegung) sind Einkommen, soweit sie – ggf. nach § 287 ZPO zu schätzende – entsprechende Eigenaufwendungen ersparen. Die für Firmenwagen steuerlich in Ansatz gebrachten Beträge („1-%-Regelung“) können einen Anhaltspunkt für die Bewertung des geldwerten Vorteils bieten. |
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5. Wohnwert Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen. Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, notwendige Instandhaltungskosten und die verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, übersteigt. Auszugehen ist vom vollen Mietwert. Wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern, kann stattdessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Dies kommt insbesondere für die Zeit bis zur Scheidung in Betracht, wenn ein Ehegatte das Familienheim allein bewohnt. Finanzierungslasten mindern den Wohnwert, soweit sie tatsächlich durch Ratenzahlungen bedient werden. Tilgungsleistungen sind i.d.R. bis zur Höhe des in Ansatz zu bringenden Wohnwerts abzuziehen (vgl. BGH, FamRZ 2017, 519; FamRZ 2018, 1506). Bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts sind darüber hinausgehende Tilgungen zu berücksichtigen, solange der berechtigte Ehegatte am Vermögenszuwachs teilhat. Nach diesem Zeitpunkt sind neben den Zinszahlungen die den Wohnwert übersteigenden Tilgungsleistungen nur dann im Rahmen des Wohnwerts zu berücksichtigen, wenn weder eine Veräußerung der Immobilie noch eine Tilgungsaussetzung oder Tilgungsstreckung möglich sind. Wegen des Abzugs weiterer Tilgungsleistungen als sekundäre Altersvorsorge wird auf Nr. 10.1 verwiesen. Beim Kindesunterhalt gilt im Rahmen des § 1603 Abs. 1 BGB ein großzügigerer, bei gesteigerter Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB hingegen ein strengerer Maßstab für die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen und zusätzlicher Altervorsorge. Im absoluten Mangelfall sind die Tilgung und zusätzliche Altersvorsorge i.d.R. nicht zu berücksichtigen. |
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6. Haushaltsführung Führt ein nicht voll Erwerbstätiger einem unterhaltsrechtlich leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so kann hierfür ein Einkommen anzusetzen sein. Das Zusammenleben in einer häuslichen Gemeinschaft kann unter dem Gesichtspunkt ersparter Wohn- und Haushaltskosten nach den Umständen des Einzelfalls – bei Leistungsfähigkeit des Partners – die Bedürftigkeit mindern bzw. die Leistungsfähigkeit steigern. In der Regel kann dieser geldwerte Vorteil dem jeweiligen Partner der Gemeinschaft mit 10 % des Eigenbedarfs zugerechnet werden. |
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7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. |
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8. Freiwillige Zuwendungen Dritter Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind i.d.R. nur dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht. Eine Anrechnung kommt ebenfalls in Betracht, wenn der Mindestunterhalt minderjähriger oder privilegiert volljähriger Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) oder das Existenzminimum des Ehegatten nicht gedeckt ist. |
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9. Erwerbsobliegenheit und fiktives Einkommen
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10. Bereinigung des Einkommens
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Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt) Der Barunterhaltsbedarf minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (vgl. Anhang 1). Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts (Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle) geltend gemacht werden. Im Hinblick auf die Fortschreibung der Tabellenwerte bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen der Kindeseltern wird auf den Beschluss des BGH vom 16.09.2019 – XII ZB 499/19 verwiesen. |
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12. Minderjährige Kinder
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13. Volljährige Kinder
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14. Verrechnung des Kindergeldes Das Kindergeld wird nach § 1612b BGB bedarfsdeckend angerechnet; zur Anrechnung des Kindergeldes siehe Verrechnungstabelle (Anhang). |
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
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16. Bedürftigkeit Eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, die er erzielt oder durch zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte, sind grundsätzlich nach der Differenzmethode auf den Bedarf anzurechnen (§ 1577 Abs. 1 BGB); die unterhaltsrechtlich maßgeblichen Erwerbseinkünfte sind um den Erwerbstätigenbonus (1/10-Anteil) zu vermindern. Soweit der unterhaltsberechtigte Ehegatte Einkünfte bezieht, welche die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben (z.B. aus Erbschaft), sind diese Einkünfte nach der Anrechnungsmethode auf den Bedarf anzurechnen, Erwerbseinkünfte zu einem 9/10- Anteil. |
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17. Erwerbsobliegenheit Beim nachehelichen Unterhalt besteht nur dann keine Verpflichtung zu einer eigenen Erwerbstätigkeit, wenn der geschiedene Ehegatte insbesondere durch Kindesbetreuung, Krankheit oder Alter an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert ist (§§ 1570–1576 BGB). |
Weitere Unterhaltsansprüche
Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils und beträgt mindestens 960 € – falls erwerbstätig: 1.160 €; er ist jedoch nicht höher als der fiktive Bedarf eines Ehegatten in gleicher Situation. |
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19. Elternunterhalt Der Unterhaltsbedarf der Eltern ist konkret darzulegen. Leistungen nach §§ 41–43 SGB XII (Grundsicherung) sind anzurechnen (vgl. Nr. 2.9). |
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20. Lebenspartnerschaft Bei Getrenntleben oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG. |
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt des Verpflichteten
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22. Bedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten Ist der Unterhaltspflichtige verheiratet, wird für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten der (fiktive) eheangemessene Unterhaltsbedarf angesetzt, allerdings unter Beachtung der folgenden im Regelfall geltenden Mindestsätze:
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23. Bedarf des vorrangigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten Der Mindestbedarf des vom Unterhaltspflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten beträgt unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig:
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24. Mangelfall
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Anhang:
Stand: 01.01.2021
Düsseldorfer Tabelle
A. Kindesunterhalt
Anhang: Tabelle Zahlbeträge
Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge. Ab dem 01.01.2021 beträgt das Kindergeld für das erste und zweite Kind 219 €, für das dritte Kind 225 € und ab dem vierten Kind 250 €.
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