OLG Celle: Unterhaltsrechtliche Leitlinien (Stand 01.01.2011)
Vorbemerkung
Die von den Familiensenaten zusammengestellten Leitlinien dienen dem Ziel, die Rechtsprechung der Senate möglichst weitgehend zu vereinheitlichen. Sie werden der Entwicklung des Unterhaltsrechts angepasst und lassen bewusst Raum für weitere Überlegungen und Konkretisierungen. Eine bindende Wirkung kommt ihnen nicht zu.
Das Tabellenwerk der Düsseldorfer Tabelle ist eingearbeitet. Die Erläuterungen werden durch nachfolgende Leitlinien ersetzt.
Unterhaltsrechtliches Einkommen
Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit andererseits geht.
Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen.
1. Geldeinnahmen
1.1 Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte. |
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1.2 Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), werden sie auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z.B. Abfindungen) sind auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen. In der Regel ist die Verteilung so vorzunehmen, dass der bisherige Lebensstandard aufrechterhalten werden kann. |
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1.3 Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten. |
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1.4 Spesen und Auslösungen werden pauschal zu 1/3 dem Einkommen hinzugerechnet, soweit nicht nachgewiesen wird, dass die Zulagen notwendigerweise in weitergehendem Umfang verbraucht werden und keine häusliche Ersparnis eintritt. |
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1.5 Bei Ermittlung des zukünftigen Einkommens eines Selbständigen ist in der Regel der Gewinn der letzten drei Jahre zugrunde zu legen. |
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1.6 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ergeben sich aus der Differenz zwischen Einnahmen und Werbungskosten. Für Gebäude ist keine AfA anzusetzen. |
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1.7 Steuererstattungen und Steuernachzahlungen sind in der Regel in dem Kalenderjahr, in dem sie anfallen, zu berücksichtigen und auf die einzelnen Monate umzulegen. Soweit Erstattungen auf Aufwendungen beruhen, die unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen sind, bleiben auch die Steuererstattungen außer Betracht. |
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1.8 Sonstige Einnahmen, z.B. Trinkgelder. |
2. Sozialleistungen
2.2 Arbeitslosengeld II (nach dem SGB II) beim Verpflichteten. Beim Berechtigten sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. SGB II kein Einkommen, es sei denn die Nichtberücksichtigung der Leistungen ist in Ausnahmefällen treuwidrig (vgl. BGH, FamRZ 1999, 843; 2001, 619; 2009, 307); nicht subsidiäre Leistungen nach dem SGB II sind Einkommen. |
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2.3 Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt. |
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2.4 BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme der subsidiären Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG. |
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2.5 Erziehungsgeld nur in den Ausnahmefällen des § 9 Satz 2 BErzGG, soweit der eigene Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen sichergestellt ist (vgl. BGH, FamRZ 2006, 1010); Elterngeld unter den Voraussetzungen von § 11 Satz 4 BEEG. |
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2.6 Arbeitsunfallrenten. |
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2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Versorgungsrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrags für tatsächliche Mehraufwendungen; §§ 1610a, 1578a BGB ist zu beachten. |
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2.8 Der Anteil des Pflegegelds bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden; bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nur in den Ausnahmefällen des § 13 Abs. 6 SGB XI. |
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2.9 In der Regel Bezüge nach §§ 41–43 SGB XII (Grundsicherung) beim Verwandtenunterhalt (anders beim Ehegattenunterhalt). |
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2.10/2.11 Kein Einkommen sind sonstige Sozialhilfe nach SGB XII und Leistungen nach dem UVG. Die Unterhaltsforderung eines Empfängers dieser Leistungen kann in Ausnahmefällen treuwidrig sein (vgl. Nr. 2.2). |
3. Kindergeld
Kindergeld wird nicht zum Einkommen der Eltern gerechnet (vgl. Nr. 14).
4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers
Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.
5. Wohnwert
Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.
Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, notwendige Instandhaltungskosten (BGH, FamRZ 2000, 351, 354) und die verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, übersteigt. Tilgungsanteile von Kreditraten sind bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts allerdings dann nicht mehr zu berücksichtigen, wenn der andere Ehegatte von einer damit einhergehenden Vermögensbildung nicht mehr profitiert (BGH, FamRZ 2008, 963).
Auszugehen ist von der erzielbaren Miete (objektiver oder voller Wohnwert). Wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern, kann statt dessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre (subjektiver oder angemessener Wohnwert). Dies kommt insbesondere für die Zeit bis zur endgültigen Vermögensauseinandersetzung oder bis zum endgültigen Scheitern der Ehe, etwa bei Zustellung des Scheidungsantrags,in Betracht, wenn ein Ehegatte das Eigenheim allein bewohnt (BGH, FamRZ 2008, 963).
6. Haushaltsführung
Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so kann hierfür ein Einkommen angesetzt werden (BGH, FamRZ 2001, 1693; 2004, 1170, 1172).
7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit
Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben (BGH, FamRZ 2005, 1154).
8. Freiwillige Zuwendungen Dritter
Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind nur dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht.
9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion
Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein.
10. Bereinigung des Einkommens
10.1 Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).
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10.2 Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind im Rahmen des Angemessenen vom Nettoeinkommen aus nichtselbstständiger Arbeit abzuziehen.
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10.3 Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Aufwendungen für die Betreuung eines Kindes in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen mindern das Einkommen nicht; es handelt sich um Mehrbedarf (vgl. Nr. 11.1 und Nr. 12.4) des Kindes (BGH, FamRZ 2009, 962). |
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10.4 Schulden können je nach den Umständen des Einzelfalls (Art, Grund und Zeitpunkt des Entstehens) das anrechenbare Einkommen vermindern. Die Abzahlung soll im Rahmen eines Tilgungsplans in angemessenen Raten erfolgen. Dabei sind die Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhaltsschuldner und Drittgläubiger gegeneinander abzuwägen. Unter Umständen besteht im Rahmen gesteigerter Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB die Obliegenheit zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens und Geltendmachung der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen (BGH, FamRZ 2005, 608; 2008, 497). |
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10.5 (nicht belegt) |
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10.6 Vermögenswirksame Sparleistungen des Arbeitnehmers vermindern das Einkommen nicht. Jedoch sind im Bruttoeinkommen enthaltene Leistungen des Arbeitgebers für die vermögenswirksame Anlage zu belassen. |
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10.7 Aufwendungen für die Ausübung des Umgangsrechts wirken sich, soweit sie notwendigerweise anfallen, einkommensmindernd aus. |
Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)
Der Barunterhaltsbedarf minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (vgl. Anhang I). Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder als Prozentsatz des Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 BGB geltend gemacht werden.
11.1 Die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle enthalten keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für das Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen des Pflichtigen ist um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten zu bereinigen. Kosten für den Besuch eines Kindergartens oder vergleichbare Betreuungsformen werden mit Ausnahme der Verpflegungskosten durch die Tabellensätze nicht erfasst. Sie sind Mehrbedarf des Kindes (BGH, FamRZ 2009, 962). |
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11.2 Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige zwei Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in niedrigere oder höhere Einkommensgruppen vorzunehmen sein. Zur Eingruppierung können auch die Bedarfskontrollbeträge herangezogen werden. Der Bedarfskontrollbetrag des Unterhaltspflichtigen ab Gruppe 2 ist nicht identisch mit dem Eigenbedarf. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird er unter Berücksichtigung anderer Unterhaltspflichten unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen. |
12. Minderjährige Kinder
12.1 Der betreuende Elternteil braucht neben dem anderen Elternteil in der Regel keinen Barunterhalt zu leisten (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), es sei denn, sein Einkommen ist bedeutend höher als das des anderen Elternteils oder der eigene angemessene Unterhalt des sonst allein barunterhaltspflichtigen Elternteils ist gefährdet (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). |
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12.2 Unterhaltsrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen des Kindes wird je hälftig auf den Bar- und Betreuungsunterhalt angerechnet. Zum Kindergeld vgl. Nr. 14. |
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12.3 Sind, z.B. bei auswärtiger Unterbringung des Kindes, beide Eltern zum Barunterhalt verpflichtet, haften sie anteilig nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Gesamtbedarf (vgl. Nr. 13.3). Der Verteilungsschlüssel kann unter Berücksichtigung des Betreuungsaufwands wertend verändert werden. |
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12.4 Bei Zusatzbedarf (Verfahrenskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) gilt § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB (vgl. Nr. 13.3). Die Kosten für den Kindergarten (ohne Verpflegungskosten) oder vergleichbare Betreuungseinrichtungen sind Mehrbedarf des Kindes (BGH, FamRZ 2009, 962). |
13. Volljährige Kinder
13.1 Beim Bedarf volljähriger Kinder ist zu unterscheiden, ob sie noch im Haushalt der Eltern/eines Elternteils leben oder einen eigenen Hausstand haben.
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13.2 Auf den Bedarf wird unterhaltsrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen des Kindes, auch BAföG-Leistungen (vgl. Nr. 2.4) und Ausbildungsbeihilfen (gekürzt um ausbildungsbedingte Aufwendungen) sowie das staatliche Kindergeld in voller Höhe (vgl. Nr. 14), angerechnet. |
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13.3 Bei anteiliger Barunterhaltspflicht ist vor Berechnung des Haftungsanteils nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils gem. Nr. 10 zu ermitteln und davon ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts (vgl. Nr. 21.3.1) abzuziehen. Der Haftungsanteil nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB errechnet sich nach der Formel: Bereinigtes Nettoeinkommen eines Elternteils (N1 oder N2) abzüglich 1.150 € mal (Rest-)Bedarf (R), geteilt durch die Summe der bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern (N1 + N2) abzüglich 2.300 (= 1.150 + 1.150) €. Haftungsanteil 1 = (N1 – 1.150) x R : (N1 + N2 – 2.300). Der so ermittelte Haftungsanteil ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen und kann bei Vorliegen besonderer Umstände (z.B. behindertes Kind) wertend verändert werden. Bei volljährigen Schülern, die in § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, wird der Sockelbetrag bis zum notwendigen Selbstbehalt (vgl. Nr. 21.2) herabgesetzt, wenn der Bedarf der Kinder andernfalls nicht gedeckt werden kann. |
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
15.1 Der Bedarf der Ehegatten richtet sich nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen im Unterhaltszeitraum, soweit sich diese aus den stets wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen fortschreiben lassen. Spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens der Ehegatten sind grundsätzlich zu berücksichtigen, unabhängig davon wann sie eingetreten sind und ob es sich um Minderungen oder Erhöhungen handelt. Eine Einkommensreduzierung ist dann unbeachtlich, wenn sie auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten beruht. Unerwartete, nicht in der Ehe angelegte Steigerungen des Einkommens des Unterhaltspflichtigen (insbesondere aufgrund eines Karrieresprungs) oder auf Wiederverheiratung beruhende Steuervorteile bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie dienen zum Ausgleich des hinzugetretenen Bedarfs weiterer Unterhaltsberechtigter (BGH, FamRZ 2009, 411; 2009, 579; 2010, 802). Es ist von einem Mindestbedarf auszugehen, der das Existenzminimum für nicht Erwerbstätige (vgl. Nr. 21.2) nicht unterschreiten darf. |
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15.2 Es gilt der Halbteilungsgrundsatz. Vom bereinigten Erwerbseinkommen kann ein Bonus von 1/7 abgezogen werden. Leistet ein Ehegatte auch Unterhalt für ein unterhaltsberechtigtes Kind, wird sein Einkommen vor Ermittlung des Erwerbstätigenbonus um diesen Unterhalt (Zahlbetrag) bereinigt. Dies gilt auch für nachehelich entstandene Ansprüche auf Kindesunterhalt und im Mangelfall (BGH, FamRZ 2010, 1318). |
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15.3 Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht. |
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15.4 Werden Altersvorsorge-, Kranken- und Pflegeversicherungskosten vom Berechtigten gesondert geltend gemacht oder vom Pflichtigen bezahlt, sind diese von seinem Einkommen vorweg abzuziehen. Der Vorwegabzug unterbleibt, soweit nicht verteilte Mittel zur Verfügung stehen. Altersvorsorgeunterhalt wird nicht geschuldet, wenn das Existenzminimum des Berechtigten (vgl. Nr. 15.1) nicht gesichert ist. |
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15.5 Schuldet der Unterhaltspflichtige sowohl einem geschiedenen als auch einem neuen Ehegatten Unterhalt, ist der nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessende Bedarf im Wege der Gleichteilung des unterhaltswirksamen Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen und der beiden Unterhaltsberechtigten zu ermitteln (BGH, FamRZ 2008, 1911). Hierbei sind auf der neuen Ehe beruhende Steuervorteile sowie die frühere Ehe nicht bestimmende Einkommensvorteile aus einem Karrieresprung einzubeziehen. Ansprüche des neuen Partners sind nach Maßgabe der §§ 1569 f. BGB zu berücksichtigen. Ein Anspruch nach § 1570 Abs. 2BGB wegen elternbezogener Gründe, die auf der Rollenverteilung in der neuen Ehe beruhen, bleibt dabei in der Regel außer Betracht (BGH, FamRZ 2010, 111). Der Anspruch des geschiedenen Ehegatten ist der Höhe nach auf den Betrag begrenzt, der sich ohne die aus der neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen erwachsenden Vorteile errechnet. |
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15.6 (nicht belegt) |
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15.7 Der Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB ist nicht nach § 1578b BGB zu befristen. |
16. Bedürftigkeit
Eigene Einkünfte des Berechtigten sind auf den Bedarf anzurechnen, wobei das bereinigte Erwerbseinkommen um einen Erwerbstätigenbonus vermindert werden kann.
17. Erwerbsobliegenheit
17.1 Bei Kindesbetreuung besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines gemeinschaftlichen Kindes keine Erwerbsobliegenheit. Gleichwohl erzieltes Erwerbseinkommen ist überobligatorisch und nach den Umständen des Einzelfalls zu berücksichtigen (BGH, FamRZ 2009, 770; 2009, 1124; 2009, 1391). Nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes kommt es bei Beurteilung der Frage, ob und inwieweit der betreuende Ehegatte bei einer bestehenden Betreuungsmöglichkeit auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden kann, auf die Verhältnisse des Einzelfalls an. Bei besonderer Betreuungsbedürftigkeit des Kindes und bei nicht oder nur unzureichender Fremdbetreuung (kindbezogene Gründe, § 1570 Abs. 1 Satz 2 BGB) kommt ein Unterhaltsanspruch auch nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes in Betracht. Eine Erwerbstätigkeit des betreuenden Ehegatten kann auch aus Gründen der nachehelichen Solidarität ganz oder teilweise unbillig erscheinen. Hierbei sind das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung sowie der Dauer der Ehe zu berücksichtigen (elternbezogene Gründe, § 1570 Abs. 2 BGB). Die Erwerbsobliegenheit beurteilt sich auch danach, ob eine Erwerbstätigkeit neben der Betreuung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen würde. Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die einer vollen oder teilweisen Erwerbsobliegenheit ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes entgegenstehen, trifft den betreuenden Ehegatten. Dies gilt auch, wenn ein Titel über den Basisunterhalt nach § 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB abgeändert werden soll. |
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17.2 In der Regel besteht für den Berechtigten im ersten Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit. |
Weitere Unterhaltsansprüche
18. Ansprüche aus § 1615l BGB
Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Er ist auch dann nicht nach dem Einkommen des Pflichtigen zu bemessen, wenn dieser mit dem betreuenden Elternteil zusammengelebt hat (BGH, FamRZ 2008, 1739; 2010, 357). Der Bedarf, der sich auch aus einem Unterhaltsanspruch gegen einen früheren Ehegatten ergeben kann, darf das Existenzminimum für nicht Erwerbstätige (Nr. 21.2) nicht unterschreiten (BGH, FamRZ 2010, 357; 2010, 444).
Zur Frage der Berücksichtigung eigener Einkünfte, zu Abzügen und zur Erwerbsobliegenheit gelten die Ausführungen für den Ehegatten entsprechend.
19. Elternunterhalt
Der Bedarf der Eltern bemisst sich in erster Linie nach deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Mindestens muss jedoch das Existenzminimum eines Nichterwerbstätigen (Nr. 21.2) sichergestellt werden. Darin sind Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung nicht enthalten. Etwaiger Mehrbedarf ist zusätzlich auszugleichen.
Bei Versorgung eines Elternteils in einer Senioreneinrichtung umfasst der Unterhaltsbedarf neben den anderweitig nicht gedeckten Heimkosten auch einen Barbedarf in Höhe des sozialrechtlich nach § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gewährten Barbetrags sowie des nach § 133a SGB XII gewährten Zusatzbarbetrags (BGH, FamRZ 2010, 1535).
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt
21.1 Der Unterhaltspflichtige ist leistungsfähig, wenn ihm der Selbstbehalt verbleibt. Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 Abs. 2 BGB) und dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB) Verwandtenselbstbehalt sowie dem Selbstbehalt gegenüber Ehegatten (§§ 1361 Abs. 1, 1581 BGB; BGH, FamRZ 2006, 683). |
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21.2 Für Eltern gegenüber minderjährigen Kindern und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten volljährigen Kindern gilt der notwendige Selbstbehalt als unterste Grenze der Inanspruchnahme. Er beträgt beim Erwerbstätigen 950 € und kann bei einem nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen auf bis 770 € herabgesetzt werden. |
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21.3 Im Übrigen gilt beim Verwandtenunterhalt der angemessene Selbstbehalt.
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21.4 Gegenüber Ehegatten ist der Selbstbehalt in der Regel mit einem Betrag zu bemessen, der zwischen dem angemessenen Selbstbehalt des Volljährigen nach § 1603 Abs. 1 BGB und dem notwendigen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 2 BGB liegt (BGH, FamRZ 2006, 683), in der Regel mit 1.050 € bei Erwerbstätigkeit und 960 € bei Nichterwerbstätigkeit (BGH, FamRZ 2009, 307, 310; 2009, 311, 312; 2010, 802, 804). |
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21.5 Führt der Unterhaltspflichtige einen gemeinsamen Haushalt mit einem Ehegatten oder Partner, kann der Selbstbehalt noch weiter herabgesetzt werden (BGH, FamRZ 2008, 594; 2010, 802, 804.) |
22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten
22.1/22.2 Lebt der Unterhaltspflichtige mit einem Ehegatten zusammen, ist für diesen gegenüber einem nachrangigen volljährigen Kind ein Mindestbedarf in Höhe von 920 €, gegenüber einem nachrangig geschiedenen Ehegatten ein solcher in Höhe von 840 € anzunehmen. |
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22.3 Bei Zusammenleben des Unterhaltspflichtigen mit einem Ehegatten ist gegenüber Unterhaltsansprüchen von Eltern und Enkeln von einem Familienselbstbehalt in Höhe von 2.700 € (Unterhaltspflichtiger: 1.500 €; Ehegatte: 1.200 €) auszugehen (BGH, FamRZ 2010, 1535). |
23. Bedarf des vom Pflichtigen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten
23.1 bis 23.3 (nicht belegt)
24. Mangelfall
24.1 Ein Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten zur Deckung seines Selbstbehalts und der gleichrangigen Unterhaltsansprüche der Berechtigten nicht ausreicht. Für diesen Fall ist die nach Abzug des Eigenbedarfs (Selbstbehalts) des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge gleichmäßig zu verteilen. |
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24.2 Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich bei minderjährigen und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern auf den Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe nach der Düsseldorfer Tabelle (Anhang I) nach den jeweiligen Zahlbeträgen. |
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24.3 Der für die Kürzung maßgebende Prozentsatz berechnet sich nach der Formel:
Entsprechend ist zu verfahren, wenn das unter Berücksichtigung des jeweils maßgebenden Selbstbehalts zur Verfügung stehende Einkommen des Unterhaltspflichtigen für die Deckung des Bedarfs von im zweiten (§ 1609 Nr. 2 BGB) oder einem nachfolgenden Rang stehenden Berechtigten nicht ausreicht. |
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24.4 Das im Rahmen der Mangelfallberechnung gewonnene Ergebnis ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen. |
Anhang
I. Düsseldorfer Tabelle (Fassung ab 01.01.2011)
Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen
|
Vomhundertsatz
|
Bedarfskontrollbetrag
|
|||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
0–5 |
6–11 |
12–17 |
ab 18 |
||||
Alle Beträge in Euro |
|||||||
1. |
bis 1.500 |
317 |
364 |
426 |
488 |
100 |
770/950 |
2. |
1.501–1.900 |
333 |
383 |
448 |
513 |
105 |
1.050 |
3. |
1.901–2.300 |
349 |
401 |
469 |
537 |
110 |
1.150 |
4. |
2.301–2.700 |
365 |
419 |
490 |
562 |
115 |
1.250 |
5. |
2.701–3.100 |
381 |
437 |
512 |
586 |
120 |
1.350 |
6. |
3.101–3.500 |
406 |
466 |
546 |
625 |
128 |
1.450 |
7. |
3.501–3.900 |
432 |
496 |
580 |
664 |
136 |
1.550 |
8. |
3.901–4.300 |
457 |
525 |
614 |
703 |
144 |
1.650 |
9. |
4.301–4.700 |
482 |
554 |
648 |
742 |
152 |
1.750 |
10. |
4.701–5.100 |
508 |
583 |
682 |
781 |
160 |
1.850 |
|
über 5.100 |
nach den Umständen des Falls |
|
|
Anhang: Tabelle Zahlbeträge
Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge. Für das 1. und 2. Kind beträgt das Kindergeld derzeit 184 €, für das 3. Kind 190 €, ab dem 4. Kind 215 €.
Zahlbeträge 1. und 2. Kind |
||||||
---|---|---|---|---|---|---|
|
0–5 |
6–11 |
12–17 |
ab 18 |
% |
|
1. |
bis 1.500 |
225 |
272 |
334 |
304 |
100 |
2. |
1.501–1.900 |
241 |
291 |
356 |
329 |
105 |
3. |
1.901–2.300 |
257 |
309 |
377 |
353 |
110 |
4. |
2.301–2.700 |
273 |
327 |
398 |
378 |
115 |
5. |
2.701–3.100 |
289 |
345 |
420 |
402 |
120 |
6. |
3.101–3.500 |
314 |
374 |
454 |
441 |
128 |
7. |
3.501–3.900 |
340 |
404 |
488 |
480 |
136 |
8. |
3.901–4.300 |
365 |
433 |
522 |
519 |
144 |
9. |
4.301–4.700 |
390 |
462 |
556 |
558 |
152 |
10. |
4.701–5.100 |
416 |
491 |
590 |
597 |
160 |
Zahlbeträge 3. Kind |
||||||
---|---|---|---|---|---|---|
|
0–5 |
6–11 |
12–17 |
ab 18 |
% |
|
1. |
bis 1.500 |
222 |
269 |
331 |
298 |
100 |
2. |
1.501–1.900 |
238 |
288 |
353 |
323 |
105 |
3. |
1.901–2.300 |
254 |
306 |
374 |
347 |
110 |
4. |
2.301–2.700 |
270 |
324 |
395 |
372 |
115 |
5. |
2.701–3.100 |
286 |
342 |
417 |
396 |
120 |
6. |
3.101–3.500 |
311 |
371 |
451 |
435 |
128 |
7. |
3.501–3.900 |
337 |
401 |
485 |
474 |
136 |
8. |
3.901–4.300 |
362 |
430 |
519 |
513 |
144 |
9. |
4.301–4.700 |
387 |
459 |
553 |
552 |
152 |
10. |
4.701–5.100 |
413 |
488 |
587 |
591 |
160 |
Zahlbeträge ab 4. Kind |
||||||
---|---|---|---|---|---|---|
|
0–5 |
6–11 |
12–17 |
ab 18 |
% |
|
1. |
bis 1.500 |
209,50 |
256,50 |
318,50 |
273 |
100 |
2. |
1.501–1.900 |
225,50 |
275,50 |
340,50 |
298 |
105 |
3. |
1.901–2.300 |
241,50 |
293,50 |
361,50 |
322 |
110 |
4. |
2.301–2.700 |
257,50 |
311,50 |
382,50 |
347 |
115 |
5. |
2.701–3.100 |
273,50 |
329,50 |
404,50 |
371 |
120 |
6. |
3.101–3.500 |
298,50 |
358,50 |
438,50 |
410 |
128 |
7. |
3.501–3.900 |
324,50 |
388,50 |
472,50 |
449 |
136 |
8. |
3.901–4.300 |
349,50 |
417,50 |
506,50 |
488 |
144 |
9. |
4.301–4.700 |
374,50 |
446,50 |
540,50 |
527 |
152 |
10. |
4.701–5.100 |
400,50 |
475,50 |
574,50 |
566 |
160 |
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