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BGH - Entscheidung vom 10.07.2024

IV ZR 129/23

Normen:
VVG § 78 Abs. 1
VVG § 78 Abs. 2
BGB § 307 Abs. 1 S. 2
BGB § 307 Abs. 1 S. 2 Bk, Cl

Fundstellen:
WM 2024, 1551
ZAP EN-Nr. 503/2024
ZAP 2024, 856

BGH, Urteil vom 10.07.2024 - Aktenzeichen IV ZR 129/23

DRsp Nr. 2024/10684

Intransparenz einer Ausschlussklausel in der Auslandsreisekrankenversicherung "bei einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand"; Regressansprüche nach der Regulierung eines Krankenversicherungsfalls; Innenausgleich nach den gesetzlichen Regelungen über die Mehrfachversicherung

Zur Intransparenz einer Ausschlussklausel in der Auslandsreisekrankenversicherung "bei einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand" (hier Ziff. 1.6.1 AVB).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Juni 2023 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 17.270,64 € festgesetzt.

Normenkette:

VVG § 78 Abs. 1 ; VVG § 78 Abs. 2 ; BGB § 307 Abs. 1 S. 2;

Tatbestand

Die Parteien streiten um Regressansprüche der Klägerin nach der Regulierung eines Krankenversicherungsfalls.

Der Versicherte unterhielt bei der Klägerin eine Auslandskrankenschutzversicherung; nach deren Versicherungsbedingungen gehen, wenn im Schadensfall eine Entschädigung aus anderen Versicherungsverträgen beansprucht werden kann, diese Leistungsverpflichtungen vor. Er verfügte außerdem über die Kreditkarte einer Bank, die mit der Beklagten einen Gruppenversicherungsvertrag einschließlich einer Auslandsreisekrankenversicherung zugunsten der Kreditkarteninhaber abgeschlossen hatte.

Dem Versicherungsvertrag mit der Beklagten liegen "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die L Miles & Mores Credit Cards" (im Folgenden: AVB) zugrunde, in denen es u.a. heißt:

"1. Versicherungsbedingungen für die Auslandsreisekrankenversicherung

[...]

1.2. Beginn und Ende der Auslandsreisekrankenversicherung

[...] Eine Auslandsreise in diesem Sinne ist jede Abwesenheit vom offiziellen Wohnsitz der versicherten Person bis zu einer Höchstdauer von maximal 90 Tagen. [...]

1.4. Versicherungsumfang

1.4.1 Der Versicherer bietet den versicherten Personen Versicherungsschutz für auf Auslandsreisen unvorhergesehen eintretende Krankheiten oder Unfallfolgen.

1.4.2 Bei einem während der Auslandsreise eintretenden Versicherungsfall ersetzt der Versicherer entstehende Aufwendungen für die Heilbehandlung [...].

1.5. Versicherte Gründe

Versicherungsfall ist die medizinische notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen während einer Auslandsreise im Sinne von 1.2. [...]

1.6. Ausschlüsse

Keine Leistungspflicht besteht:

1.6.1 Bei einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand, der der versicherten Person bekannt war, als sie die Kreditkarte beantragte, bzw. bei der Buchung der Reise, je nachdem, was am kürzesten zurückliegt, insbesondere, weswegen die versicherte Person:

a) Während der letzten zwölf Monate einen Krankenhausaufenthalt hatte.

b) Testergebnisse erwartet oder auf der Warteliste für eine Operation, Konsultation oder Untersuchung steht.

c) Innerhalb der letzten drei Monate begonnen hat, Medikamente einzunehmen oder die Einnahme geändert oder sich in Behandlung begeben hat.

d) Alle zwölf Monate oder häufiger eine medizinische, chirurgische oder psychiatrische Untersuchung benötigt.

e) Die Diagnose "unheilbar" und/oder "chronisch" erhalten hat.

[...]

1.10. Subsidiarität

Besteht Anspruch auf Leistungen [...] durch einen anderen Ersatzpflichtigen, so ist der Versicherer nur für den die Leistungspflicht des Ersatzpflichtigen übersteigenden Betrag für die notwendigen Aufwendungen leistungspflichtig. Besteht ein Anspruch gegen Dritte, erhält der Versicherte eine Vorleistung durch den Versicherer."

Der Versicherte, bei dem ein Diabetes Mellitus Typ 2 bestand, flog am 13. November 2018 von Frankfurt nach Miami; der Rückflug war für den 27. März 2019 gebucht. In Florida wurde er vom 6. bis zum 10. Dezember 2018 stationär behandelt. Die Klägerin zahlte 34.091,90 € für die Krankenhausbehandlung und Transportkosten in Höhe von 449,37 €. In den Kosten für die Krankenhausbehandlung war das Entgelt für einen Dienstleister, den so bezeichneten "Provider", der von der Klägerin im Rahmen der Abrechnung mit dem Krankenhaus beauftragt worden war, in Höhe von 3.392,53 $ enthalten. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass die Behandlung durch bereits bei der Reisebuchung bestehende Erkrankungen - den Diabetes und rezidivierende Harnwegsinfekte - notwendig geworden und ihre Leistungspflicht daher nach Ziffer 1.6.1 AVB ausgeschlossen sei.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung von 17.270,64 € verlangt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass der Anspruch aus § 78 Abs. 2 VVG folge, soweit er sich aus den für die Behandlung und den Transport erbrachten Zahlungen zusammensetze. Eine Mehrfachversicherung liege vor und die in den AVB enthaltene Subsidiaritätsklausel stehe einem Ausgleichsanspruch der Klägerin nicht entgegen; auch sei die Reise, obgleich für länger als 90 Tage geplant, versichert. Die Erkrankung des Versicherten, eine Bakteriämie auf Basis eines Harnweginfekts und eine Entgleisung seines Diabetes (Ketoazidose), sei unvorhergesehen gewesen. Die Ausschlussklausel in Ziffer 1.6.1 AVB verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB . Die Klägerin könne ferner hälftige Erstattung der so bezeichneten Providerkosten beanspruchen. Sie habe unwidersprochen erläutert, dass durch die Einschaltung des Providers eine erhebliche Reduzierung der Klinikkosten habe erreicht werden können. Ob ein entsprechender Anspruch ebenfalls aus § 78 Abs. 2 VVG folge, könne dahinstehen, denn dieser ergebe sich jedenfalls als Anspruch auf Aufwendungsersatz aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Mit der Beauftragung des Providers habe die Klägerin im Hinblick auf die bestehende Einstandspflicht der Beklagten ein auch-fremdes Geschäft geführt.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand.

1. Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Das Berufungsgericht hat sie "im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der Ausschlussklausel in Ziffer 1.6.1 AVB" zugelassen. Diese Rechtsfrage ist nicht nur für einen Teil der im Berufungsurteil behandelten Ansprüche von Bedeutung, so dass in der Angabe dieses Zulassungsgrundes keine Beschränkung der R evisionszulassung zu sehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 365/21, WM 2022, 1444 Rn. 11 m.w.N.). Die vom Berufungsgericht angenommenen Ansprüche auf einen Innenausgleich nach § 78 Abs. 2 VVG und auf Aufwendungsersatz aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 683 Satz 1, § 670 BGB sind gleichermaßen davon abhängig, ob eine Leistungspflicht der Beklagten nach dieser Klausel ausgeschlossen ist, da die Regulierung des Versicherungsfalls bei einem Leistungsausschluss auch kein Geschäft der Beklagten darstellen könnte.

2. Die Revision ist in der Sache nur zum Teil begründet.

a) Die Klägerin kann, soweit sie ihre Leistungsverpflichtungen aus der bei ihr gehaltenen Versicherung erfüllt hat, von der Beklagten einen Innenausgleich nach den gesetzlichen Regelungen über die Mehrfachversicherung verlangen, § 78 Abs. 2 VVG . Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass die Beklagte die hälftigen Behandlungs- und Transportkosten zu ersetzen hat.

aa) Eine Mehrfachversicherung im Sinne von § 78 Abs. 1 VVG lag hier - was zwischen den Parteien nicht in Streit steht - grundsätzlich vor, denn sowohl aus dem Vertrag mit der Klägerin wie auch aus demjenigen mit der Beklagten genoss der Versicherte Versicherungsschutz wegen der Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung im Ausland. Die von beiden Parteien verwendeten Subsidiaritätsklauseln , welche die Eintrittspflicht des Versicherers dann entfallen lassen, wenn ein anderer Versicherer, der dasselbe Risiko abdeckt, leistungspflichtig ist, stehen dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Treffen - wie hier - gleichwertige Subsidiaritätsklauseln aufeinander, so entspricht es dem Willen der Versicherer, den Versicherungsnehmer oder Versicherten nicht schutzlos zu stellen. Daher sind die Klauseln ergänzend dahin auszulegen, dass sie sich gegenseitig aufheben und so bei einer Mehrfachversicherung § 78 VVG Anwendung findet (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2014 - IV ZR 389/12, VersR 2014, 450 Rn. 18).

bb) Ein Versicherungsfall ist nach den Versicherungsbedingungen der Beklagten eingetreten. Krankenversicherungsschutz besteht auch nach der hier geltenden Ziffer 1.2. AVB auf Auslandsreisen für die ersten 90 Tage immer und unabhängig davon, ob der Versicherte die Reise für einen längeren Zeitraum geplant hat oder nicht (vgl. Senatsu rteil vom 19. September 2007 - IV ZR 136/06, VersR 2008, 64 Rn. 9). Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts trat bei dem Versicherten ferner während einer Auslandsreise eine unvorhergesehene Erkrankung im Sinne von Ziffer 1.4.1 AVB ein. Die Revision nimmt hin, dass das Berufungsgericht die Bakteriämie und die Entgleisung des Diabetes des Versicherten (Ketoazidose) als bedingungsgemäß unvorhergesehene Erkrankung eingeordnet hat.

cc) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Anspruch nicht nach Ziffer 1.6.1 AVB von der Leistungspflicht der Beklagten ausgenommen ist. Die Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist daher unwirksam.

(1) Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2023 - IV ZR 41/22, BGHZ 238, 282 Rn. 35 m.w.N.). Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Bei einer den Versicherungsschutz einschränkenden Ausschlussklausel müssen dem Versicherungsnehmer die damit verbundenen Nachteile und Belastungen, soweit nach den Umständen möglich, so verdeutlicht werden, dass er den danach noch bestehenden Umfang der Versicherung erkennen kann (Senatsurteil vom 8. Mai 2013 - IV ZR 174/12, r+s 2013, 334 Rn. 8 m.w.N.). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (Senatsurteil vom 11. Oktober 2023 aaO m.w.N.). Liegt - wie hier - ein Gruppenversicherungsvertrag vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 2014 - IV ZR 289/13, VersR 2015, 318 Rn. 22 m.w.N.).

(2) Diesen Erfordernissen entspricht Ziffer 1.6.1 AVB nicht. Der durchschnittliche Versicherte kann dieser Klausel nicht hinreichend klar entnehmen, wann die Leistungspflicht der Beklagten ausgeschlossen sein soll.

(a) Dabei wird er bereits nicht abschließend bestimmen können, welche vor Reiseantritt bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu einem Leistungsausschluss führen können. Aus dem Zusammenhang der Klausel erschließt sich ihm noch, dass der dort genannte "medizinische Zustand" nicht als Synonym für einen "gesundheitlichen Zustand ", der gut oder schlecht sein kann, verwendet wird. Er wird daher erkennen, dass inhaltlich nichts anderes als eine Krankheit gemeint ist, d.h. ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anormaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der eine nicht ganz unerhebliche Störung kör perlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2022 - IV ZR 185/20, BGHZ 234, 352 Rn. 28 m.w.N.).

Welcher medizinische Zustand zu einem Leistungsausschluss führt, wird jedoch in dieser Klausel nicht verständlich definiert, sondern nur durch eine nicht abschließende Reihe von Beispielen illustriert. Diese ermöglichen es dem Versicherten nicht, hinreichend sicher zu erkennen, welche weiteren "Zustände" vom Leistungsausschluss erfasst sein sollen und welche nicht. Die Beispiele beziehen sich nur teilweise, aber nicht durchgehend auf schwerwiegende Erkrankungen; beim Warten auf Testergebnisse oder auf eine Untersuchung muss keine schwere Krankheit vorliegen. Auch für die Dauer der Erkrankung werden keine einheitlichen Voraussetzungen aufgestellt; es kann sich um eine kurz vor Reisebeginn zum ersten Mal aufgetretene Krankheit handeln, falls sie mit Medikamenten behandelt wurde, oder auch um eine als "chronisch" diagnostizierte. Der Versicherte hat danach keine Möglichkeit zu erkennen, welche weiteren Erkrankungen, die von keinem der Beispiele erfasst werden, mit diesen in der Weise vergleichbar sind, dass auch sie den Leistungsausschluss auslösen können.

(b) Aber auch unabhängig von der Bestimmung des "medizinischen Zustands" kann der Versicherte nicht erkennen, in welchem Umfang das Bestehen eines solchen Zustands den Versicherungsschutz ausschließt.

Nach der streitgegenständlichen Klausel soll "bei" dem dort genannten medizinischen Zustand keine Leistungspflicht bestehen. Welche Beziehung zwischen einer bereits vorher bekannten Erkrankung und dem Versicherungsfall damit erfasst werden soll, ergibt sich aus dem Wortlaut nicht. Aus der Formulierung kann der Versicherte nicht erkennen, ob eine Leistung schon immer dann ausgeschlossen sein soll, wenn ein ihm bekannter "medizinischer Zustand" bei Reisebuchung oder Kreditkartenbeantragung vorlag. Er könnte den Leistungsausschluss "bei" einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand auch so verstehen, dass die Leistung für eine Behandlung dieser Vorerkrankung während der Reise ausgeschlossen sein soll. Insoweit erschiene sie dem Versicherten a ls Bekräftigung der Definition des Versicherungsfalles, der eine "unvorhergesehen eingetretene Krankheit" voraussetzt, also bereits vor Reiseeintritt bestehende und bekannte Krankheiten nicht erfasst. Eine - ihrem Vortrag zufolge von der Beklagten beabsichtigte - Regelung, dass der Ausschluss für die Behandlung einer während der Reise unvorhergesehen eingetretenen Krankheit gelten soll, die nicht mit dem bereits bekannten "medizinischen Zustand" identisch ist, aber durch diesen (mit-)verursacht wurde, ergibt sich dagegen nicht aus dem Wortlaut. Auch wenn der Versicherte den Sinn des Leistungsausschlusses, den Versicherer nicht für dem Versicherten bereits bekannte besondere Risiken eintreten zu lassen, erkennt, könnte er dies der Klausel, die keinen Ursachenzusammenhang mit dem Versicherungsfall formuliert, nicht entnehmen.

b) Auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen hätte das Berufungsgericht der Klägerin jedoch keinen Anspruch auf Ersatz der hälftigen Kosten für die Tätigkeit des Dienstleisters (im Folgenden: Provider) nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zusprechen dürfen.

aa) Entgegen der Ansicht der Revision steht einem Anspruch auf Aufwendungsersatz aus § 683 Satz 1, § 670 BGB nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Klageforderung auch hinsichtlich der Kosten des Providers allein als Innenausgleichsanspruch gemäß § 78 Abs. 2 VVG bezeichnet und begründet hat. Das Berufungsgericht hat der Klägerin nicht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO etwas zugesprochen, was diese nicht beantragt hat. Mit der Klage wird nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr der eigenständige prozessuale Anspruch, der sich aus Klageantrag und Klagegrund - dem Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet - zusammensetzt (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2014 - IX ZR 267/13, NJW 2015, 1093 Rn. 8 m.w.N.). Erfasst werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des gestellt en Antrages aus dem zur Entscheidung vorgetragenen Lebenssachverhalt herleiten lassen; auf die rechtliche Begründung des Klägers kommt es nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2000 - X ZR 62/98, NJW 2000, 3492 [juris Rn. 12]). Der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt der Beauftragung des Providers bei der Regulierung des Versicherungsfalles konnte daher zur Begründung der erhobenen Klageforderung sowohl im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch aus § 78 Abs. 2 VVG als auch unter dem Gesichtspunkt eines Aufwendungsersatzanspruchs aus § 683 Satz 1, § 670 BGB geprüft werden.

bb) Ob die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Aufwendungsersatz nach § 683 Satz 1, § 670 BGB vorliegen, kann aber aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden.

Eine Geschäftsführung ohne Auftrag setzt voraus, dass der Geschäftsführer ein Geschäft "für einen anderen" besorgt. Das ist der Fall, wenn er das Geschäft nicht (nur) als eigenes, sondern (auch) als fremdes führt, also in dem Bewusstsein und mit dem Willen, zumindest auch im Interesse eines anderen zu handeln (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - I ZR 228/19, NJW 2021, 2023 Rn. 54). Ein objektiv auch-fremdes Geschäft, das seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Besorger, sondern auch einem Dritten zugutekam (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2018 - III ZR 273/16, NJW 2018, 2714 Rn. 20), lag in der Beauftragung des Providers durch die Klägerin. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde die Forderung des Krankenhauses für die Behandlungskosten durch die Tätigkeit des Providers in einem Ausmaß, das dessen eigenes Entgelt überstieg, reduziert, so dass der Leistungsanspruch des Versicherten, der sich gegen beide Parteien als Versicherer richtete, entsprechend verringert wurde. Es ist jedoch bisher offen, ob die Klägerin bei der Führung des Geschäfts - der Beauftragung des Providers - bereits wusste, dass ein Leistungsanspruch des Versicherten gegen einen anderen Versicherer bestand und sie daher das Geschäft auch für einen Dritten führte. Während bei der Führung eines objektiv auch-fremden Geschäfts regelmäßig ein ausreichender Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird (vgl. Senatsurteil vom 7. Oktober 2020 - IV ZR 69/20, ZEV 2021, 25 Rn. 8 m.w.N.), muss das Wissen um das Vorliegen eines auch-fremden Geschäfts zunächst festgestellt werden. Bisher ist nicht vorgetragen, wann die Klägerin vom Bestehen eines den Versicherten erfassenden Versicherungsvertrages mit der Beklagten erfuhr.

cc) Das Urteil erweist sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO ). Ein Ausgleichsanspruch aus § 78 Abs. 2 VVG besteht hinsichtlich der Kosten für den Provider nicht. Maßgeblich ist insoweit, ob sich für diese Kosten ein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus dem mit der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrag ergab . Die Beklagte ersetzt nach Ziffer 1.4.2 AVB die Aufwendungen für die Heilbehandlung. Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her auf Heilung, Besserung oder Linderung der Krankheit abzielt (vgl. Senatsurteil vom 29. März 2017 - IV ZR 533/15, VersR 2017, 608 Rn. 21). Die Kosten für die Beauftragung eines Dienstleisters, der bei der Abrechnung der Behandlungskosten zwischen Leistungserbringer und Versicherer tätig wird, haben - auch wenn sie zu einer Reduzierung der in Rechnung gestellten Behandlungskosten führen - keinen unmittelbaren Bezug zur Heilbehandlung. Sonstige Leistungen sind in der Krankenversicherung nach § 192 Abs. 1 VVG (nur) zu erstatten, wenn sie vereinbart sind. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten enthalten jedoch keine Erstattungsregelung für die Kosten eines Abrechnungsdienstleisters.

III. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Nach den bisher getroffenen Feststellungen lässt sich auch ein begründeter Mindestbetrag noch nicht festlegen. Obgleich ein Anspruch auf Ersatz der hälftigen Behandlungs- und Transportkosten besteht, fehlt es aufgrund der von der Klägerin vorgetragenen Zahlungsdaten zu verschiedenen Wechselkursen an Feststellungen dazu, welchen Betrag in Euro die Klägerin für die Behandlungs- und Transportkosten einerseits und für die bisher nur in US-Dollar angegebenen Kosten des Providers andererseits gezahlt hat. Da die Sache somit auch nicht teilweise entscheidungsreif ist, ist sie in vollem Umfang an das Berufungsgericht, das zunächst die fehlenden Feststellungen zu einem möglichen Aufwendungsersatzanspruch zu treffen haben wird, zurückzuverweisen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 10. Juli 2024

Vorinstanz: LG Köln, vom 09.11.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 20 O 710/21
Vorinstanz: OLG Köln, vom 16.06.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 20 U 360/22
Fundstellen
WM 2024, 1551
ZAP EN-Nr. 503/2024
ZAP 2024, 856