BGH, Urteil vom 27.11.2023 - Aktenzeichen VIa ZR 1425/22
Inanspruchnahme des Fahrzeugherstellers auf Schadenersatz wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug; Anwendung deutschen Sachenrechts auf die deliktische Haftung des Herstellers eines in einem anderen Mitgliedstaat typgenehmigten Basisfahrzeugs; Voraussetzungen für die Beanspruchung des Differenzschadens
Auf die deliktische Haftung des Herstellers eines in einem anderen Mitgliedstaat typgenehmigten Basisfahrzeugs, das als Wohnmobil vervollständigt in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebracht wird, findet deutsches Sachrecht Anwendung. Für den Differenzschaden kommt es nicht darauf an, welchen Zwecken die beabsichtigte Nutzung eines Kraftfahrzeugs als Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr dienen soll.
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 7. September 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Normenkette:
VO Nr. § 864/2007/EG Art. 4 Abs. 1 ; VO Nr. § 864/2007/EG Art. 4 Abs. 3 ; VO Nr. § 864/2007/EG Art. 17 ; BGB § 31 ; BGB § 249 ; BGB § 826 ;Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Im April 2018 kaufte der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland für 52.300 € ein neues Wohnmobil Fiat Ducato Sunlight A68. Der Kläger finanzierte den Kaufpreis mittels eines Darlehens. Die Beklagte stellte das Basisfahrzeug her. Das Basisfahrzeug ist mit einem nicht von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe 2,3-l-MultiJet II mit 96 kW (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet. Die Emissionskontrolle erfolgt unter Verwendung eines Thermofensters. Die das Basisfahrzeug betreffende EG-Typgenehmigung wurde von einer Behörde der Italienischen Republik erteilt. Das Fahrzeug des Klägers ist nicht von einem Rückruf betroffen. Das Kraftfahrt-Bundesamt leitete ein Verfahren nach § 26 Abs. 2 Satz 1 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV, BGBl. I, 2011, S. 126 ), Art. 30 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (ABl. L 263 vom 9. Oktober 2007, S. 1; Richtlinie 2007/46/EG) ein. Die italienische Typgenehmigungsbehörde sah im September 2016 keinen Anlass, Maßnahmen zu ergreifen.
Der Kläger, dessen Klage in beiden Instanzen erfolglos geblieben ist, hat die Beklagte zuletzt auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises abzüglich des Werts gezogener Nutzungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie auf Ersatz von Finanzierungs- und außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Anspruch genommen. Außerdem hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826 , 31 BGB zu, weil er eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nicht hinreichend dargetan habe. In der Verwendung eines Thermofensters liege kein sittenwidriges Verhalten, weil der Kläger weder einen Prüfstandsbezug noch Umstände vorgetragen habe, die eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten begründeten. So sei die Rechtslage in Bezug auf Thermofenster zu dem maßgebenden Zeitpunkt nicht geklärt gewesen. Die Beklagte habe deshalb nicht von der Rechtswidrigkeit der entsprechenden Einrichtung ausgehen müssen.
Dem Kläger stehe auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht zu. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liege das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Schutzbereich der als Schutzgesetz in Frage kommenden Bestimmungen.
II.
Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings von der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte ausgegangen. Mit Rücksicht auf den Ort des Kaufvertragsschlusses über das Wohnmobil in der Bundesrepublik Deutschland als Ort des Schadenseintritts (vgl. dazu etwa EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - C-343/19, NJW 2020, 2869 Rn. 23 ff. mwN) folgt die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 7 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 63 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EU L 351 vom 20. Dezember 2012, S. 1; Brüssel-Ia-VO bzw. EuGVVO ).
2. Richtig hat das Berufungsgericht auch deutsches Sachrecht zur Anwendung gebracht. Maßgebend dafür ist Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO). Das gilt sowohl in Bezug auf einen nach den §§ 826 , 31 BGB ersatzfähigen Vertragsabschlussschaden als auch für einen gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu ersetzenden Differenzschaden.
a) Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung ist, sofern - wie hier - keine vorrangigen Kollisionsnormen eingreifen, nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Dies ist aufgrund des Schadenseintritts durch den Abschluss des Kaufvertrags über das Wohnmobil in der Bundesrepublik Deutschland deutsches Recht.
Aus Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO folgt nichts anderes. Umstände, aus denen sich eine offensichtlich engere Verbindung der unerlaubten Handlung mit einem anderen Staat ergeben könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Vielmehr hat es ausdrücklich festgehalten, der Kläger habe das Wohnmobil als Neufahrzeug in der Bundesrepublik Deutschland erworben. Damit lag nach den Feststellungen des Berufungsgerichts insbesondere nicht nur der Erfolgsort, sondern auch der Handlungsort in der Bundesrepublik Deutschland. Denn der Handlungsort ist der Ort, an dem das vervollständigte Fahrzeug mit dem Ziel seiner Zulassung erstmals in Verkehr gebracht wird.
b) Die Anwendung deutschen Sachrechts umfasst über die Regelungen des Rechts der unerlaubten Handlung im Bürgerlichen Gesetzbuch hinaus auch die Vorschiften der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV als möglicherweise verletzte Schutzgesetze und die dann für den Verschuldensmaßstab bedeutsame Bestimmung des § 37 Abs. 1 EG-FGV.
Nach Art. 15 lit. a) Rom II-VO ist das Deliktsstatut, dem Prinzip der einheitlichen Anknüpfung folgend (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, Stand: 1.9.2023, Rom II-VO Art. 15 Rn. 5 mwN), maßgebend vor allem für den Grund der Haftung. Dazu gehören auch die Schutzgesetze, deren Verletzung die Haftung begründet (vgl. Staudinger/Nitkowski, DAR 2020, 471 , 476; Lehmann in: Hüßtege/Mansel, BGB , Rom-Verordnungen - EuErbVO - HUP 3. Aufl. 2019, Rom II-VO Art. 4 Rn. 117; Göthel in: Göthel, Grenzüberschreitende M&A-Transaktionen, 5. Aufl. 2020, Form und Zustandekommen, Teil I, Kap. 2, § 9 Rn. 102).
Mit dem dem deutschen Sachrecht unterliegenden Schutzgesetz gelten deutsche Sicherheits- und Verhaltensregeln. Aus Art. 17 Rom II-VO folgt schon deshalb nichts anderes, weil der Ort des haftungsbegründenden Ereignisses - das Inverkehrbringen des vervollständigten Fahrzeugs - nicht in der Italienischen Republik, sondern in der Bundesrepublik Deutschland liegt.
3. In nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht ferner einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 826 , 31 BGB mangels Darlegung einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung durch die Beklagte verneint. Das gilt sowohl in Bezug auf die als solche nicht streitige Verwendung eines Thermofensters als auch im Hinblick auf weitere, seitens des Klägers behauptete Einrichtungen. Die Revision zeigt nicht auf, dass der Kläger - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts und von ihm nicht berücksichtigt - entweder einen Prüfstandsbezug oder besondere Umstände im Sinne eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten konkret und gestützt auf greifbare Anhaltspunkte dargetan hat.
4. Jedoch kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht verneint werden.
a) Entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung finden § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV mit Rücksicht auf den Handlungsort in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Diese Bestimmungen haben Schutzgesetzcharakter, ohne dass es einer über die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben hinausreichenden Kompetenz des Verordnungsgebers zur Schaffung einer deliktischen Haftungsgrundlage bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 32, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ; Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 23). Für die Behandlung der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV als unionsrechtlich determinierte Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist der unionsrechtliche Zusammenhang zu beachten. Insofern hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom 21. März 2023 darauf abgestellt, dass die in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG vorgesehene und nach Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG zu sanktionierende Pflicht des Herstellers, ein ausgeliefertes Fahrzeug mit einer Übereinstimmungsbescheinigung zu versehen, es dem Käufer erlauben soll, das erworbene Fahrzeug in jedem Mitgliedstaat zuzulassen, ohne zusätzliche Unterlagen vorlegen zu müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 80). Dementsprechend haftet der Hersteller eines Basisfahrzeugs als Inhaber einer für den Zutritt zum Binnenmarkt maßgebenden EG-Typgenehmigung für das Basisfahrzeug und Aussteller einer Übereinstimmungsbescheinigung, die sich auch auf die Abwesenheit einer unzulässigen Abschalteinrichtung bezieht, für deren Richtigkeit, weil er die Gewähr für die Übereinstimmung des vervollständigten Fahrzeugs mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 übernimmt.
b) Auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV lässt sich zwar kein Anspruch auf "großen" Schadensersatz stützen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Wie der Senat nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, stellen die § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aber Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar, die das individuelle Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller schützen, nicht aufgrund des Kaufvertragsabschlusses eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese dadurch zu erleiden, dass das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist. Dem Kläger kann danach gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz eines ihm entstandenen Differenzschadens zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 20), zu dem das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat.
III.
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO , weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO .
1. Das Berufungsgericht hat unterstellt, dass es sich bei dem verbauten Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt. Zugunsten des Klägers ist damit entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung auch im Revisionsverfahren zu unterstellen, dass sich die Übereinstimmungsbescheinigung nicht im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 befunden hat. Die Einwände der Revisionserwiderung geben dem Senat keinen Anlass, von dem von ihm in seinem Urteil vom 26. Juni 2023 ( VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 51) näher dargelegten Verständnis des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 abzurücken.
2. Dass eine Tatbestands- oder Legalisierungswirkung der EG-Typgenehmigung einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht entgegengehalten werden kann, hat der Senat bereits am 26. Juni 2023 ( VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 34) entschieden. Anlass, zu diesem Punkt ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten, hat der Senat weiterhin nicht.
Gleichfalls ohne Relevanz ist die Reaktion der italienischen Typgenehmigungsbehörde auf das Ersuchen des Kraftfahrt-Bundesamts nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EG-FGV, Art. 30 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2007/46/EG. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die keine Fragen zur unionsrechtlichen Rechtslage offen lässt, entscheidet über die Gewährung eines Schadensersatzes allein, ob in das (Basis-)Fahrzeug entgegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eingebaut ist. Eine Bindungswirkung der seitens der nationalen Typgenehmigungsbehörden getroffenen Maßnahmen steht dem in Bezug auf den tatbestandlichen Schutzgesetzverstoß nicht entgegen. Aus Art. 3 Nr. 36 der Richtlinie 2007/46/EG folgt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Hersteller nicht nur die Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ, sondern auch die Übereinstimmung mit sämtlichen maßgeblichen Rechtsakten bescheinigt (EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 79; BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 29, 34 ).
3. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten nicht verneinen. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht damit entlasten, sie sei nicht zugleich Herstellerin des in dem Basisfahrzeug verbauten Motors. Einem Fahrzeughersteller, der für die Konstruktion des von ihm hergestellten Fahrzeugs Motoren fremder Hersteller verwendet, obliegen nach dem anwendbaren deutschen Sachrecht auch insoweit die Sorgfaltspflichten eines Herstellers (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2023 - VIa ZR 26/21, WM 2023, 2190 Rn. 14 mwN).
4. Der Senat kann schließlich einen Differenzschaden des Klägers nicht ausschließen.
a) Das gilt zum einen, soweit die Revisionserwiderung anführt, nach § 26 EG-FGV und § 5 FZV habe bei Abschluss des Kaufvertrags im April 2018 aufgrund der Stellungnahme der italienischen Typgenehmigungsbehörde im September 2016 und einer fehlenden anderweitigen Anordnungskompetenz des Kraftfahrt-Bundesamts kein Risiko für eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung bestanden. Wie der Senat mit Urteil vom 26. Juni 2023 ( VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 42) ausgeführt hat, kann ein Schadenseintritt nicht deshalb verneint werden, weil es bisher noch nicht zu Einschränkungen der Nutzbarkeit gekommen ist und weil die - hier: italienische - Typgenehmigungsbehörde Fahrzeuge des genehmigten Typs zwar auf eine Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 geprüft, aber bisher von einschränkenden Maßnahmen abgesehen hat. Denn mit Rücksicht auf den geldwerten Vorteil der jederzeitigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs genügt schon die rechtliche Möglichkeit einer Nutzungsbeschränkung, die mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegeben ist. Diese besteht aber schon beim tatsächlichen Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung, weil dann die befasste Typgenehmigungsbehörde einschreiten kann (zu den insofern bestehenden Möglichkeiten vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 83 f.).
b) Das gilt zum anderen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger - anders als in den vom Senat am 26. Juni 2023 entschiedenen Fällen (BGH, Urteile vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, aaO; - VIa ZR 533/21, NJW 2023, 2270 ; - VIa ZR 1031/22, DAR 2023, 503 ) - nicht einen Pkw, sondern ein Wohnmobil erworben hat. Für den Differenzschaden kommt es nicht darauf an, welchen Zwecken die beabsichtigte Nutzung eines Kraftfahrzeugs als Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr dienen soll.
Da dem Käufer beim Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen Maßnahmen schon wegen der ex ante bestehenden Möglichkeit von Einschränkungen aufgrund des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung bis hin zu einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung durch die Zulassungsbehörde drohen, steht bei jedem zur Nutzung im Straßenverkehr bestimmten Kraftfahrzeug in Fällen eines Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die zweckentsprechende Nutzung des erworbenen Fahrzeugs in Frage. Die damit einhergehende, zeitlich nicht absehbare Unsicherheit, das erworbene Fahrzeug jederzeit seinem Zweck entsprechend nutzen zu dürfen, setzt den objektiven Wert des Kaufgegenstands im maßgeblichen Zeitpunkt der Vertrauensinvestition des Käufers bei Abschluss des Kaufvertrags herab, weil insofern schon in der Gebrauchsmöglichkeit als solcher ein geldwerter Vorteil liegt. Dementsprechend lässt sich eine Verringerung des objektiven Werts des Fahrzeugs infolge seiner Ausrüstung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Vergleich zu einem Fahrzeug der betreffenden Baureihe und Motorisierung ohne unzulässige Abschalteinrichtung nicht ohne Verletzung des § 287 Abs. 1 ZPO verneinen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 41).
Einer Differenzierung nach der Art der beabsichtigten Nutzung im Straßenverkehr steht hier der auf die Förderung der Ziele des Unionsrechts gerichtete Sinn und Zweck der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV entgegen. Eine solche Unterscheidung hätte die Ausklammerung einer ganzen Gruppe von Fahrzeugtypen aufgrund abstrakter, mit ihrer Bauart zusammenhängender Erwägungen ohne Bezug insbesondere zu Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zur Folge. Das schränkte die von den Mitgliedstaaten zu gewährleistende Effektivität der Durchsetzung der Ziele des Unionsrechts (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 90) unvertretbar ein. Dementsprechend hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom 21. März 2023 zwar hinsichtlich des Schadensersatzes auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten verwiesen (EuGH, Urteil vom 21. März 2023, aaO, Rn. 92). Er hat aber weder hinsichtlich der Pflichtverletzung durch die Ausstellung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung noch im Zusammenhang mit in Betracht kommenden Schadenspositionen Ausnahmen für ganze Fahrzeuggruppen je nach dem Zweck der beabsichtigten Nutzung erwogen (EuGH, Urteil vom 21. März 2023, aaO, Rn. 78 ff. und 84).
IV.
Da die Sache auch nicht umgekehrt zugunsten des Klägers zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO , ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO .
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren, auch für die Haftung des Herstellers eines Basisfahrzeugs geltenden Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 ( VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 ) die erforderlichen Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
Bei der Prüfung des Verschuldens der Beklagten wird das Berufungsgericht die seitens des Senats geklärten Maßstäbe zu berücksichtigen haben (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 58 ff.; Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, WM 2023, 2064 Rn. 13 f.). Das Vorhandensein einer EG-Typgenehmigung oder die Ermittlung einer hypothetischen Genehmigung der zuständigen Typgenehmigungsbehörde betreffen nicht den Verbotsirrtum als solchen, sondern dessen Unvermeidbarkeit. Die Verneinung eines Verschuldens unter dem Gesichtspunkt eines unvermeidbaren Verbotsirrtums und gestützt auf Äußerungen der zuständigen Typgenehmigungsbehörde setzt zunächst einen Irrtum der Beklagten voraus. Die insoweit für Kapitalgesellschaften geltenden Maßstäbe hat der Senat geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023, aaO, Rn.14).
Von Rechts wegen
Verkündet am: 27. November 2023