BSG, Urteil vom 02.09.2021 - Aktenzeichen B 8 SO 4/20 R
Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII als Zuschuss statt als Darlehen Anforderungen an die Verwertbarkeit einer privaten Rentenversicherung als Vermögen innerhalb eines angemessenen Zeitraums
Vermögen ist auch bei feststehendem Verwertungszeitpunkt regelmäßig nur verwertbar, wenn ein Verwertungshindernis innerhalb von zwölf Monaten ab Beginn des jeweiligen Bewilligungsabschnitts wegfällt.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 12. März 2020 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Normenkette:
SGB XII § 19 Abs. 1 ; SGB XII § 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ; SGB XII § 27 Abs. 1 ; SGB XII § 44 Abs. 1 S. 1; SGB XII § 90 Abs. 1 ; SGB XII § 91 ; SGB XII § 93 Abs. 1 ; SGB XII § 103 ; GG Art. 3 Abs. 1 ;Gründe:
I
Im Streit sind für die Monate September und Oktober 2011 nicht zurückzuzahlende Leistungen (im Folgenden: Zuschuss) der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ), die der Kläger anstelle eines gewährten Darlehens begehrt.
Der 1960 geborene Kläger ist seit 1.6.1991 Versicherungsnehmer einer privaten Rentenversicherung, deren Beiträge sein Vater trug und die seit 2006 beitragsfrei gestellt ist. Während des Bezugs von Arbeitslosengeld II (Alg II) vereinbarte der Kläger (ebenfalls im Jahr 2006) einen Verwertungsausschluss mit dem Versicherer bis 1.6.2025 (§ 165 Abs 3 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz [VVG] in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung, ab 1.1.2008 § 168 Abs 3 Satz 1 VVG ), der die Kündigung, den Verkauf und die Beleihung des Versicherungsvertrags ausschließt. Die Kapitalabfindung, die am 1.6.2025 fällig wird, beträgt 18 044,38 Euro. Seit Februar 2011 bezog der Kläger eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Mitteldeutschland. Im streitgegenständlichen Zeitraum beteiligte er sich am Prämiensparen der Sparkasse D und zahlte monatlich 25 Euro auf das Prämiensparkonto.
Die Beklagte, die den Kapitalabfindungsanspruch aus der privaten Rentenversicherung auf sich überleitete, bewilligte dem Kläger für die Monate September und Oktober 2011 ergänzend Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 605,05 Euro monatlich (Bescheid vom 5.8.2011). Die Leistung werde wegen Vermögens als Darlehen erbracht, das zum 30.11.2011 fällig werde. Mit seinem gegen die Bewilligung eingelegten Widerspruch erstrebte der Kläger die zuschussweise Leistungsgewährung. In der Folgezeit änderte die Beklagte die Höhe der für Oktober 2011 darlehensweise bewilligten Leistungen auf 696,93 Euro (Änderungsbescheid vom 16.9.2011). Der Widerspruch war nur insoweit erfolgreich, als die Beklagte den Zeitpunkt der Fälligkeit des Darlehens auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Verwertungsausschlusses der privaten Rentenversicherung hinausschob (Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 13.1.2012). Für November 2011 bis Januar 2012 bewilligte die Beklagte Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss (Bescheide vom 21.10.2011 und vom 19.12.2011).
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts [SG] Dresden vom 30.1.2015; Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts [LSG] vom 12.3.2020). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger sei nicht hilfebedürftig. Die Kapitalabfindung aus der privaten Rentenversicherung stelle verwertbares Vermögen dar. Stehe fest, wann die Vermögensansprüche fällig werden, sei bei privaten Rentenversicherungen bzw Kapitallebensversicherungen im Hinblick auf die gewöhnlichen Laufzeiten solcher Versicherungsprodukte und zur Vermeidung der missbräuchlichen Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses jedenfalls dann von bereiten Mitten und damit von Verwertbarkeit auszugehen, wenn die Fälligkeit innerhalb von 15 Jahren eintrete.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 90 Abs 1 SGB XII . Bereite Mittel seien nur bei Verwertbarkeit innerhalb eines zwölfmonatigen Betrachtungszeitraums anzunehmen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 12. März 2020 und des Sozialgerichts Dresden vom 30. Januar 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. August 2011 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. September 2011, diese in Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2012, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Monate September und Oktober 2011 Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger Anspruch auf die zuschussweise Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt hat. Sein Vermögen aus der privaten Rentenversicherung steht dem zwar nicht entgegen, weil es sich wegen des mit dem Versicherer vereinbarten Verwertungsausschluss nicht um einzusetzendes Vermögen handelt. Das LSG hat - aus seiner Sicht konsequent - allerdings nicht die notwendigen Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehört und anderes Einkommen und Vermögen als die private Rentenversicherung der Hilfebedürftigkeit entgegensteht.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 5.8.2011 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16.9.2011 sowie des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 13.1.2012, der zu Recht ohne Beteiligung sozial erfahrener Dritter erlassen worden ist (§ 116 Abs 2 SGB XII iVm § 21 Sächsisches Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches [SächsAGSGB]). Der Zulässigkeit der Klage, soweit sie sich gegen den Änderungsbescheid vom 16.9.2011 richtet, steht nicht entgegen, dass die Beklagte diesen im Widerspruchsbescheid nicht genannt hat. Denn der Änderungsbescheid ist Gegenstand des Vorverfahrens geworden (§ 86 Halbsatz 1 SGG ). Über ihn hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid in der Sache auch mitentschieden. Sie hat ausdrücklich ausgeführt, eine zuschussweise Bewilligung scheide auch für Oktober 2011 aus.
Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Leistungsbewilligung für die Monate November 2011 bis Januar 2012. Da die Beklagte für diese Monate Leistungen als Zuschuss bewilligt hat, hat der Kläger seinen Antrag auf die Monate September und Oktober 2011 beschränkt. Die Leistungen für November 2011 bis Januar 2012 sind damit nicht Streitgegenstand geworden, unabhängig davon, dass die entsprechenden Verwaltungsakte ebenfalls Gegenstand des Vorverfahrens (§ 86 Halbsatz 1 SGG analog) gegen den Bescheid vom 5.8.2011 geworden waren (zur analogen Anwendung von § 86 SGG bei Folgebescheiden für einen nächsten Bewilligungsabschnitt Bundessozialgericht [BSG] vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R - juris RdNr 10; BSG vom 14.4.2011 - B 8 SO 12/09 R - juris RdNr 11 insoweit in BSGE 108, 123 = SozR 4-3500 § 82 Nr 7 nicht abgedruckt; zu einem im Widerspruchsverfahren gegen einen Aufhebungsbescheid erlassenen Erstattungsbescheid BSG vom 28.8.2018 - B 8 SO 31/16 R - SozR 4-1500 § 86 Nr 4 RdNr 13, 14).
Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 , § 56 SGG ), die auf ein Grundurteil (§ 130 Abs 1 SGG analog) gerichtet ist (vgl BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 15/15 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 8 RdNr 12 ff).
Der Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Kläger Anspruch auf (zuschussweise) Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt hat. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist § 19 Abs 1 iVm § 27 Abs 1 SGB XII . Die formellen Voraussetzungen dieser Normen liegen zwar vor. Die Beklagte ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 3 SGB XII , § 10 Abs 1 SächsAGSGB idF des Gesetzes zur Umsetzung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 14.7.2005 [SächsGVBl 167]) auch sachlich für die Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zuständig (§ 97 Abs 1 SGB XII ). Ob die materiellen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, kann der Senat jedoch nicht abschließend beurteilen. Nach § 19 Abs 1 iVm § 27 Abs 1 SGB XII ist Hilfe zum Lebensunterhalt Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können und nicht nach §§ 21 ff SGB XII von Leistungen ausgeschlossen seien.
Der Senat kann schon nicht beurteilen, ob der Kläger, sei es als Erwerbsfähiger (§ 7 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - [SGB II]), sei es als Angehöriger (§ 7 Abs 2 Satz 1, § 19 Abs 1 Satz 2 SGB II ), dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II war und deshalb von dem Leistungsausschluss nach § 21 Satz 1 SGB XII erfasst ist, soweit nicht vorrangige Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (§ 5 Abs 2 Satz 2, § 19 Abs 1 Satz 2 SGB II ) zu erbringen sind. Das LSG hat lediglich festgestellt, dass er seit dem 1.2.2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezog. Allein diese Feststellung lässt die notwendige Abgrenzung auf Grundlage von § 8 Abs 1 SGB II jedoch nicht zu. Erwerbsfähig im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nämlich auch, wer wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarkts Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat, solange er mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein kann (vgl BSG vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R - BSGE 105, 201 = SozR 4-4200 § 8 Nr 1, RdNr 15 f). Nichts Anderes folgt daraus, dass der Kläger im März 2011 in den Eingangsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen worden ist. Die notwendigen Feststellungen zum Umfang des verbliebenen Leistungsvermögens sowie dazu, ob der Kläger alleinstehend war oder in einer Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Nr 3 SGB II lebte, wird das LSG nachzuholen haben.
Der Senat kann auch nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger seinen Lebensunterhalt nicht vollständig aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten konnte. Insbesondere fehlen ausreichende Feststellungen dazu, in welchem Umfang der Kläger über einzusetzendes Vermögen (§ 90 SGB XII ) verfügte. Dies betrifft zunächst das Prämiensparen bei der Sparkasse D. Das LSG hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht festgestellt, in welchem Umfang der Kläger über Sparguthaben verfügte. Das LSG hat darüber hinaus keine Feststellungen dazu getroffen, ob und ggf in welchem Umfang Barmittel oder Guthaben auf einem Girokonto vorhanden waren. Diese Feststellungen sind auch nicht wegen der privaten Rentenversicherung des Klägers entbehrlich, weil es sich bei dieser entgegen der Auffassung des LSG nicht um einzusetzendes Vermögen handelt.
Einzusetzen ist nach § 90 Abs 1 SGB XII das gesamte verwertbare Vermögen. Hierzu zählen alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld und Geldeswert ( BSG vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R - BSGE 100, 131 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3, RdNr 15). Bei dem Rückkaufswert einer privaten Rentenversicherung bzw einer hieraus zu zahlenden Kapitalabfindung handelt es sich um Vermögen. Es kann offenbleiben, ob angesichts der Überleitung der Ansprüche gegen den Versicherer (§ 93 Abs 1 SGB XII ) diese weiterhin dem Kläger entgegengehalten werden können. Jedenfalls fehlt es an der Verwertbarkeit der am 1.6.2025 fällig werdenden Kapitalabfindung. Verwertbar ist Vermögen dann, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können. Der Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können ( BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 15/15 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 8 RdNr 22). Dies muss innerhalb eines angemessenen Zeitraums möglich sein ( BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - juris RdNr 14).
Im Grundsatz ist von Unverwertbarkeit iS des § 90 Abs 1 SGB XII auszugehen, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt. Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden, bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung also regelmäßig der zwölfmonatige Bewilligungszeitraum des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB XII ( BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - juris RdNr 15). Dies hat zur Folge, dass nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts eine neue Prognoseentscheidung ohne Bindung an die vorangegangene Einschätzung zu treffen ist ( BSG aaO). Da das SGB XII bei der - hier bewilligten - Hilfe zum Lebensunterhalt keinen Leistungszeitraum vorsieht, eine Begünstigung von Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt gegenüber den Empfängern von Grundsicherungsleistungen aber nicht gerechtfertigt wäre, muss der Zeitraum von zwölf Monaten auch bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII den Maßstab bilden ( BSG aaO). Der Senat hat in der Vergangenheit offengelassen, ob von einem längeren Zeitraum auszugehen ist, wenn - wie hier - konkret feststeht, wann über den Vermögenswert verfügt werden kann. Für diesen Fall hat der Senat zwar angedeutet, dass abhängig von den Umständen des Einzelfalls ein deutlich längerer Zeitraum als zwölf Monate als angemessen anzusehen sein kann ( BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - juris RdNr 15; ebenso für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende BSG vom 27.1.2009 - B 14 AS 42/07 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 23; ebenso anhand der Kostenbeteiligung für Leistungen der Jugendhilfe wohl Bundesverwaltungsgericht [BVerwG] vom 25.6.2015 - 5 C 12.14 - Buchholz 436.511 § 92 SGB VIII Nr 2 RdNr 13 ff; dagegen Kellner, NZS 2020, 603 ). Der Senat verfolgt diesen Ansatz jedoch nicht weiter, sodass auch bei feststehendem Verwertungszeitpunkt regelmäßig von einem zwölfmonatigen Betrachtungszeitraum auszugehen ist.
Ausschlaggebend sind für den Senat insoweit vor allem Gesichtspunkte der Gleichbehandlung (Art 3 Abs 1 Grundgesetz [GG]). So führte eine zu lange Ausdehnung des Betrachtungszeitraums bei einem feststehenden Zeitpunkt der Verwertbarkeit dazu, dass der betreffende Leistungsberechtigte Leistungen im Regelfall nur als Darlehen (§ 91 SGB XII ) erhielte. Demgegenüber erhält derjenige, bei dem sich der Zeitpunkt der Verwertbarkeit nur prognostisch bestimmen lässt, zuschussweise Leistungen, solange nicht mit einer Verwertung innerhalb des laufenden Zwölfmonatszeitraums zu rechnen ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Verwertungsmöglichkeit prognostisch zwar außerhalb des Zwölfmonatszeitraums, aber doch zeitnah eintritt. Gerade dann, wenn es sich um eine verhältnismäßig sichere Prognose handelt, ist die Situation derart stark an diejenige eines Leistungsberechtigten mit feststehendem Verwertungszeitpunkt angenähert, dass es sich allenfalls in engen zeitlichen Grenzen rechtfertigen ließe, dem einen zuschussweise Leistungen zu gewähren, dem anderen aber nur ein Darlehen.
Auch unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ist eine Gleichbehandlung von Vermögen, bei dem sich der Verwertungszeitpunkt nur prognostisch bestimmen lässt, und Vermögen mit feststehendem Verwertungszeitpunkt aber geboten. Es lassen sich kaum belastbare Anhaltspunkte finden, anhand derer in solcher Weise bestimmt werden kann, welcher Zeitraum im Einzelfall als angemessen anzusehen ist, dass die Verwaltungsentscheidung für den Leistungsberechtigten und eine eventuelle gerichtliche Entscheidung auch für die Behörde hinreichend absehbar sind.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht von Verwertbarkeit der Kapitalabfindung innerhalb eines angemessenen Zeitraums auszugehen. Die Verwertung war vorliegend nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Beginn des Zeitraums, für den Leistungen bewilligt worden sind, möglich. Besondere Umstände des Einzelfalls, die ein Abweichen vom Zwölfmonatszeitraum rechtfertigen, sind hier schon angesichts der Feststellungen des LSG, wonach der Kläger über die private Rentenversicherung über einen Zeitraum von mehr als 13 Jahren - gleich in welcher Form - nicht verfügen kann, nicht erkennbar. Der Begriff der "bereiten Mittel" würde anderenfalls ad absurdum geführt. Soweit das LSG auf die übliche Laufzeit von privaten Rentenversicherungen und Kapitallebensversicherungen verweist, stellt dies einen Zirkelschluss dar. Letztlich will das LSG von einem langen Beurteilungszeitraum ausgehen, weil die Verwertbarkeit erst spät eintritt. Soweit das LSG besorgt, dass missbräuchlich ein Verwertungsausschluss vereinbart werden könnte, kann dem durch § 26 Abs 1 Satz 1 Nr 1 , § 103 SGB XII ausreichend begegnet werden (Kellner, NZS 2020, 603 ).
Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.