BGH, Versäumnisurteil vom 04.02.2021 - Aktenzeichen III ZR 7/20
Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung und Eingehungsbetrug auf Grundlage eines Schneeballsystems i.R. eines Anlagemodells; Schadensersatzansprüche nach einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage
a) Ist vorhersehbar, dass bei einem Anlagemodell die den Anlegern versprochene Rendite nicht aus den Erträgen des Anlageobjekts, sondern aus den Einlagen weiterer Anleger bedient werden wird (sogenanntes "Schneeballsystem"), erfüllt dies regelmäßig sowohl die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB als auch diejenigen eines Eingehungsbetrugs gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB .b) Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast regelmäßig bereits dadurch, dass er Umstände vorträgt, die das (weitere) Betreiben eines solchen "Schneeballsystems" als naheliegend erscheinen lassen. Den Gegner trifft in solchen Fällen eine sekundäre Darlegungslast. Er hat sich im Rahmen der ihm nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei zu äußern; anderenfalls gilt das Vorbringen des Geschädigten als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO ).
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg - 1. Zivilsenat - vom 5. Dezember 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage im Hinblick auf den Vorwurf, der Beklagte habe ein sogenanntes Schneeballsystem betrieben, abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage, die sich in dritter Instanz nur noch gegen den Beklagten zu 1 richten (im Folgenden daher lediglich Beklagter).
Der Beklagte war Alleinaktionär, alleiniges Mitglied des Verwaltungsrats und Hauptentscheidungsträger der in der Schweiz ansässigen und in Deutschland tätigen S. AG (S. AG). Diese bot über die von ihr beherrschte B. L. S. AG ein als "Cashselect" bezeichnetes Anlagemodell an. Danach sollten die Anleger ihre Versicherungen, Bausparverträge und ähnliche Kapitalanlagen kündigen beziehungsweise kündigen lassen, um die Rückkaufswerte dann der S. AG zur Verfügung zu stellen. Das Geld sollte gewinnbringend - zuletzt vornehmlich in Unternehmen aus der Branche der erneuerbaren Energien - investiert werden. Die Anleger schlossen dafür Verträge über den "Ankauf von Rückkaufswerten aus Vermögensanlagen", die als Kaufpreis für die erworbenen Rückkaufswerte spätere Auszahlungen der S. AG vorsahen, die - je nach Preismodell - entweder in Raten oder als einmalige Zahlung an den Anleger geleistet werden sollten (Vertragstypen A-F mit unterschiedlichen Laufzeiten) und eine erhebliche Verzinsung vorsahen. Über eine Erlaubnis nach dem Schweizer Bankgesetz oder nach dem Kreditwesengesetz verfügte die S. AG nicht.
Auch der Kläger schloss auf der Grundlage des von ihm am 27. Februar 2012 abgegebenen - vorformulierten - Angebots mit der S. AG einen solchen auf Erwerb des Rückkaufswerts seiner bei der V. L. bestehenden Lebensversicherung gerichteten Vertrag. Den erzielten Erlös stellte er dem Anlagemodell (Vertragstyp E) entsprechend der S. AG - nachrangig zu den Forderungen sonstiger gegenwärtiger und zukünftiger Gläubiger zur Verfügung. Der Betrag sollte sodann ratierlich mit Gewinn binnen 15 Jahren zurückgezahlt werden. Zeitgleich mit dem Angebot erteilte der Kläger mehreren - von der S. AG beauftragten - Rechtsanwälten Vollmacht zur Kündigung der Vermögensanlage, von der diese im Folgenden Gebrauch machten.
Anfang März 2012 ließ die Schweizer Finanzmarktaufsicht die Geschäftsräume der S. AG in der Schweiz durchsuchen. Kurze Zeit später wurde die in Deutschland ansässige L. O. I. GmbH (nachfolgend nur L. O. ) - unter Mitwirkung des Beklagten, der an der Gesellschaft zumindest anfänglich beteiligt war - gegründet, die den Anlegern die Übernahme der Verträge unter der Überschrift "aus den Unternehmen der S. AG wird L. O. " anbot. Der Kläger unterzeichnete Ende April 2012 einen entsprechenden Übernahmevertrag. Im August 2012 untersagte die Schweizer Finanzmarktaufsicht der S. AG den Vertrieb ihrer Produkte. Anfang 2013 wurde der Konkurs über das Vermögen der S. AG eröffnet. Mitte 2013 wurde auch die T. C. GmbH, in die die L. O. rund ein halbes Jahr nach ihrer Gründung umbenannt worden war, insolvent.
Der Beklagte ist mittlerweile im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der S. AG rechtskräftig wegen Betrugs in Tatmehrheit mit drei Fällen gewerbsund bandenmäßigen Betruges im Tatzeitraum 2009/2010 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Der Kläger, der keine Auszahlungen erhalten hat, verlangt unter anderem die Erstattung des der S. AG zur Verfügung gestellten Rückkaufswerts seiner Versicherung, den er mit 60.186,18 € beziffert. Er hat insbesondere unter Hinweis auf das gegen den Beklagten ergangene Strafurteil behauptet, das Anlagemodell habe - zumindest bis zur der gedachten Gewinnverzinsung, zu der es nicht mehr gekommen sei - auf einem sogenannten "Schneeballsystem" beruht, nach dem ältere Verträge mit dem Geld aus neueren Verträgen bedient worden seien. Der weitere Vorwurf, es habe ein verbotenes Einlagengeschäft vorgelegen, ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Mit der vom Senat - beschränkt auf den Vorwurf, ein Schneeballsystem betrieben zu haben - zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren gegen den Beklagten weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im Umfang ihrer Zulassung Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Hierbei war über das Rechtsmittel antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sachund Streitstands (vgl. nur Senat, Versäumnisurteil vom 10. November 2016 - III ZR 235/15, WM 2017, 280 Rn. 18 mwN).
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ausgeführt:
Der Kläger habe die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder aus § 826 BGB nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die bloße Bezugnahme auf das Strafurteil reiche hierfür nicht aus. Zwar handele es sich bei dem Anlageprodukt um ein solches, das mit dem Gegenstand der strafrechtlichen Verurteilung identisch sei. Es liege nahe, dass daran auch geschädigte Altanleger beteiligt gewesen seien, weshalb ein hohes Risiko bestanden habe, dass Ansprüche solcher Anleger aus den Einlagen des Klägers befriedigt werden würden. Ferner hätten sich bei Konkurseröffnung über das Vermögen der S. AG am 22. Februar 2013 Aktiva von 700.000 Schweizer Franken und Gläubigerforderungen von 100 Millionen Schweizer Franken gegenübergestanden. Allerdings sei dem Kläger der erforderliche Vollbeweis der Voraussetzungen eines Betruges durch den Beklagten nicht gelungen. Für den streitgegenständlichen Anlagezeitpunkt - der nach dem von dem Strafurteil erfassten Zeitraum liege - könnten keine vergleichbaren Feststellungen getroffen werden. Zudem habe es keinen direkten Kontakt zwischen den Parteien gegeben, sondern der Vertragsschluss sei über einen zwischengeschalteten Anlagevermittler erfolgt. Daher hätte - was unterblieben sei - zu einer konkreten Täuschungshandlung und deren Gegenstand vorgetragen werden müssen. Ebenso fehle die Darstellung der Voraussetzungen des subjektiven Tatbestands des Betrugs, nämlich unter anderem zu der umfassenden Kenntnis des Beklagten von der konkreten wirtschaftlichen Lage der S. AG und deren Liquidität im Zeitpunkt der Anlage. Dem Strafurteil zufolge habe es einen Wechsel des Geschäftsmodells der S. AG ab Mai 2010 gegeben, so dass dessen Feststellungen zur - früheren - wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft nicht ohne weiteres zu übernehmen seien.
II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein auf den Vorwurf, ein sogenanntes "Schneeballsystem" betrieben zu haben, gestützter Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB gegen den Beklagten nicht verneint werden.
1. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung der Vorinstanz, der Kläger habe die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Das Oberlandesgericht hat die Anforderungen, die an die Substanz des Klägervortrags zu stellen sind, überspannt und die sekundäre Darlegungslast des Beklagten nicht berücksichtigt. Infolgedessen hat es sich mit dem Klägervorbringen verfahrensfehlerhaft nicht mehr näher befasst.
a) Der Kläger hat sich bereits in erster Instanz darauf berufen, das von der S. AG angebotene Anlagemodell habe auf einem sogenannten Schneeballsystem beruht. In zweiter Instanz hat er insoweit auf das inzwischen gegen den Beklagten ergangene Strafurteil Bezug genommen. Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, deliktische Ansprüche gegen den Beklagten seien mit Blick auf die strafrechtliche Verurteilung zwar nicht ausgeschlossen, müssten aber in Bezug auf den abweichenden Zeitraum näher konkretisiert werden, hat er geltend gemacht, die - von dem Beklagten gesteuerte - S. AG habe gegenüber ihren Kunden wie ihm eine Zins- und Rückzahlungsverpflichtung übernommen, obgleich sie keinerlei Erlöse mit den Geldern erzielt, sondern die Verträge älteren Datums mit den Geldern aus den Verträgen jüngeren Datums bedient habe; dies sei auch noch nach Mai 2010 - mithin nach dem Wechsel des "Geschäftsmodells" - weiterhin geschehen. Dieses Vorbringen hätte das Berufungsgericht nicht als unsubstantiiert und damit unschlüssig zurückweisen dürfen.
b) Auf der Grundlage dieses Vortrags kommen gegen den Beklagten Ansprüche vielmehr sowohl aus § 826 BGB als auch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB in Betracht.
aa) Nach § 826 BGB ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haften Geschäftsführer, (faktische) Geschäftsleiter oder Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft nach § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn das von ihnen ins Werk gesetzte Geschäftsmodell der Gesellschaft von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist, es sich mithin um ein Schwindelunternehmen handelt (vgl. zB BGH, Versäumnisurteil vom 14. Juli 2015 - VI ZR 463/14, WM 2015, 2112 Rn. 24 mwN; Urteil vom 28. Februar 1989 - XI ZR 70/88, ZIP 1989, 830 , 831). Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich das Konzept als von vornherein chancenlos erweist und im Ergebnis nur dem eigenen Vorteil der maßgeblich damit befassten Personen dient (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2015 - VI ZR 11/14, WM 2015, 819 Rn. 26). Bei demjenigen, der in federführender Stellung an der Verwirklichung eines solchen Geschäftsmodells mitwirkt, das schwerpunktmäßig auf eine sittenwidrige Schädigung gerichtet ist, spricht die praktische Lebenserfahrung dafür, dass dies bewusst und unter Inkaufnahme von Schäden der Geschäftskunden - mithin zumindest bedingt vorsätzlich (vgl. zu dieser Vorsatzform zB BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, WM 2012, 260 Rn. 10) - geschieht (BGH, Urteil vom 28. Februar 1989 aaO; OLG Frankfurt a.M., BeckRS 2020, 13072 Rn. 58; Staudinger/Oechsler, BGB , Bearb. 2018, § 826 Rn. 298). In Fällen sogenannter Schneeballsysteme ist die Absicht des Täters, Anleger zu schädigen, so greifbar, dass der Sittenverstoß unmittelbar aus dem Gegenstand der Anlage selbst abgeleitet werden kann. Denn hier hängt die Rendite der Kapitalanleger davon ab, dass fortwährend neue Anleger für das System in einem Maße gefunden werden, das aufgrund der Marktverhältnisse vernünftigerweise nicht zu erwarten ist. In diesem Fall nehmen die Betreiber, die die Marktverhältnisse kennen, Anlegerschäden billigend in Kauf (OLG Frankfurt aaO mwN).
bb) Ein solches Vorgehen kann zugleich die Voraussetzungen eines Eingehungsbetrugs erfüllen, wenn die Anlegergelder - auch bei einem nach ordnungsgemäßer Aufklärung eingegangenen Risikogeschäft - nicht in die avisierte Anlage investiert werden, wo sie Gewinne abwerfen sollen, sondern stattdessen die versprochenen Ausschüttungen beziehungsweise Erträge aus den Einlagen weiterer Anleger bedient werden. Der solchermaßen getäuschte Anleger erleidet durch die Zahlung des anzulegenden Betrags einen unmittelbaren und endgültigen Vermögensschaden in Höhe der vollen Anlagesumme, weil die getätigte Anlage wirtschaftlich wertlos ist (vgl. zB BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 1 StR 336/11, NStZ-RR 2012, 81 , 82). Spätere Entwicklungen berühren den eingetretenen Schaden nicht mehr (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Rn. 10 ff). Auch in diesem Fall liegen zumindest bedingter Vorsatz sowie die auf eine Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils gerichtete Bereicherungsabsicht nahe. Insbesondere wird der Betrugsvorsatz nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Täter hoffte, es werde letzten Endes alles gut gehen und das Risiko werde sich nicht realisieren (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2002 - 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264 Rn. 4).
c) Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs hat der Kläger schlüssig vorgetragen. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist schlüssig und damit als Prozessstoff erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (zB Senat, Urteil vom 4. Oktober 2018 - III ZR 213/17, WM 2018, 2175 Rn. 26; Beschluss vom 7. Juni 2018 - III ZR 210/17, WM 2018, 1252 Rn. 4). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, welche Angaben einer Partei zumutbar und möglich sind. Falls sie keinen Einblick in die Geschehensabläufe hat und ihr die Beweisführung deshalb erschwert ist, darf sie auch vermutete Tatsachen unter Beweis stellen. Sie ist grundsätzlich nicht gehindert, Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält (Senat, Urteil vom 4. Oktober 2018 aaO mwN).
Nach diesen Maßstäben ist es zwar im Ausgangspunkt Sache des Geschädigten, die einzelnen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 826 BGB oder einer deliktischen Haftung wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes darzulegen und zu beweisen (zB BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19, WM 2020, 1640 Rn. 15; vom 18. Januar 2018 - I ZR 150/15, WM 2018, 1848 Rn. 26 mwN und vom 20. Dezember 2011 aaO Rn. 8). Dieser Grundsatz erfährt aber unter dem vorerwähnten Zumutbarkeitsgesichtspunkt eine Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während der Prozessgegner die wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In diesen Fällen trifft Letzteren die sekundäre Darlegungslast, in deren Rahmen es ihm auch obliegt, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen (zB BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 aaO Rn. 16; vom 10. Februar 2015 - VI ZR 343/13, NJW-RR 2015, 1279 Rn. 11 und vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190 , 195 f). Es ist dann Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern (vgl. zB BGH, Urteile vom 10. Februar 2015 und vom 17. März 1987; jew. aaO). Genügt der Gegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 aaO und vom 17. März 1987 aaO). Erst dann, wenn der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast genügt, ist es Sache des Anspruchstellers, für seine Behauptung sprechende Umstände darzulegen und zu beweisen (zB BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 aaO Rn. 30). Diese Grundsätze kommen insbesondere auch bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden (BGH, Urteile vom 10. Februar 2015 und vom 17. März 1987; jew. aaO), und sind auf die vorliegende Fallgestaltung ohne weiteres übertragbar.
d) Nach vorstehenden Maßstäben genügte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts das Vorbringen des Klägers, der - anders als der Beklagte - die internen Verhältnisse bei der S. AG beziehungsweise deren Nachfolgegesellschaften nicht kannte und sich auch nicht auf zumutbare Weise Kenntnis davon verschaffen konnte, den Anforderungen an die schlüssige Darlegung der Anspruchsgrundlagen aus § 826 BGB beziehungsweise aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB . Nach der Darstellung des Klägers war das von dem Beklagten verantwortete Geschäftsmodell von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt, weshalb unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ein vorsätzlicher - zumindest billigend in Kauf genommener Sittenverstoß ebenso schlüssig vorgetragen ist wie ein (bedingt) vorsätzlicher Eingehungsbetrug.
aa) Allerdings ist zutreffend, dass sich der Kläger - zumindest in zweiter Instanz - vornehmlich auf das unter anderem gegen den Beklagten ergangene Strafurteil des Landgerichts München I vom 25. Oktober 2018 wegen Betrugs sowie gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs bezogen hat, das dessen Verurteilung für den Tatzeitraum März 2009 bis Mai 2010 zum Gegenstand hatte. Feststellungen zu einem strafrechtlich relevanten Verhalten in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Ankaufvertrags am 27. Februar 2012 durch den Kläger enthält das Urteil hingegen nicht. Vielmehr findet sich dort der von der Vorinstanz aufgegriffene Hinweis, dass es im Frühjahr 2010 - mithin deutlich vor der Beteiligung des Klägers an dem angebotenen Anlagemodell - einen Wechsel des Geschäftsmodells gegeben hat, wonach die eingenommenen Kundengelder in Geothermie-Projekte investiert werden sollten.
bb) Dies steht der Schlüssigkeit des Klägervortrags jedoch nicht entgegen. Vielmehr können das Tatgeschehen der Jahre 2009/2010 und der vom Kläger im Jahr 2012 geschlossene Vertrag ungeachtet einer veränderten Unternehmensstrategie nicht losgelöst voneinander betrachtet werden.
Nach den vom Kläger in Bezug genommenen Feststellungen in dem Strafurteil bot der Beklagte in dem dort maßgeblichen Zeitraum - teils im Zusammenwirken mit weiteren Mittätern - über gutgläubige Vermittler Endkunden an, wenig rentierliche Vermögensanlagen über von diesen beauftragte Treuhänder kündigen zu lassen und den Erlös in [angeblich] ertragreichere Anlageprodukte zu investieren. Tatsächlich hatte der Beklagte damals jedoch nicht vor, die eingenommenen Gelder in die versprochenen Vermögensanlagen (gewinnbringend) zu investieren, sondern wollte sie zugunsten der Gesellschaft vereinnahmen, um dadurch unter anderem sein Gehalt zu bestreiten sowie Rendite- und Rückzahlungsforderungen der Altinvestoren zu befriedigen, um diese in Sicherheit zu wiegen und zu weiteren Einzahlungen zu bewegen. Dabei rechnete er damit, dass die Gesellschaft [die S. AG] letztlich zahlungsunfähig werden würde.
Auch wenn der Beklagte seit Mai 2010 versucht haben mag, ein nachvollziehbares Unternehmenskonzept in Form der unternehmerischen Beteiligung an verschiedenen Geothermie-Projekten zu schaffen, können diese Vorgänge nicht unbeachtet bleiben. Zwar ist nicht zu verkennen, dass Anlagemodelle, die ein - mit potentiellen Risiken bis hin zum Totalverlust behaftetes - Engagement in eine unternehmerische Beteiligung enthalten, bei zutreffender Risikobelehrung grundsätzlich nicht zu beanstanden sind und für sich betrachtet zu keiner deliktischen Haftung führen. Dies ist aber dann anders zu beurteilen, wenn das Geschäft, für das Gelder eingeworben werden, ersichtlich von vornherein chancenlos und der erworbene Gegenwert praktisch wertlos ist, mithin ein Totalverlust greifbar ist und der Initiator des Geschäfts dies - auch wenn er auf Besseres hofft (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 aaO Rn. 17; Tiedemann in LK- StGB , 12. Aufl., § 263 Rn. 246; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 aaO Rn. 11) - zum Nachteil der Anleger zumindest billigend in Kauf nimmt. Besteht lediglich eine nicht durch greifbare Tatsachen untermauerte und damit unrealistische Hoffnung, mit dem in Aussicht genommenen Geschäftsmodell könne eine bereits begonnene kriminelle Praxis beendet werden, werden sich sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand der hier in Rede stehenden unerlaubten Handlungen nicht verneinen lassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn absehbar ist, dass eingenommene Gelder weiterhin zweckwidrig verwendet werden und nicht in das avisierte Anlageobjekt fließen, sondern zum Beispiel zur Tilgung anderer - drängenderer - Verbindlichkeiten eingesetzt werden müssen.
cc) Dies zugrunde gelegt, lässt sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz ein gegen den Beklagten gerichteter Anspruch aus unerlaubter Handlung nicht bereits mit der Erwägung verneinen, eine Bezugnahme auf die Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils genüge zu seiner schlüssigen Darlegung nicht, weil es ab Mai 2010 zu einem Wechsel des Geschäftsmodells gekommen sei. Der Kläger hat auf die Hinweisverfügung des Berufungsgerichts vom 23. April 2019, mit der es hinsichtlich des hier maßgeblichen Tatzeitraums Zweifel an der hinreichenden Substanz des Vorbringens geäußert hat, ausdrücklich vorgetragen, die S. AG habe nicht über werthaltige Aktivmittel verfügt und die versprochene Rendite nicht erwirtschaften können. Der Beklagte habe auch nach 2010 - gemeint ist April 2010 - weiterhin ein Schneeballsystem (mit der Gefahr des jederzeitigen Totalverlusts) betrieben und die neuen Anlegergelder genutzt, um die Altanleger bedienen zu können. Damit hat er die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung aus § 826 BGB beziehungsweise der Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB hinreichend schlüssig dargelegt. Eines eingehenderen Vortrags des Klägers zu weiteren Einzelheiten des seit Mai 2010 - und auch noch im Zeitpunkt des von ihm im Frühjahr 2012 mit der S. AG geschlossenen Vertrags - praktizierten Geschäftsmodells, der wirtschaftlichen Situation und Liquidität der S. AG sowie der Kenntnis des Beklagten davon bedurfte es auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands nicht. Mangels näherer Kenntnisse des Klägers von den internen Vorgängen bei der S. AG beziehungsweise ihren Nachfolgeunternehmen musste er lediglich ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vortragen, die eine durch den Beklagten beeinflusste Weiterführung des Schneeballsystems als naheliegend erscheinen lassen (ähnlich BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 - I ZR 150/15 aaO Rn. 26 zu einer Schmiergeldabrede).
Solche Anhaltspunkte sind dem Klägervorbringen ohne weiteres zu entnehmen: Die S. AG hatte über einen beträchtlichen Zeitraum ein allein auf ein Schneeballsystem gestütztes Anlagemodell betrieben und damit erhebliche Schulden angehäuft. Selbst wenn der Beklagte mit der von ihm beherrschten Gesellschaft ab Mai 2010 Einnahmen durch eine erfolgversprechende Beteiligung an - zunächst noch im Aufbau befindlichen - Geothermie-Projekten anderer Unternehmensträger erwirtschaften wollte, hätte die begründete Aussicht bestehen müssen, dass damit nicht nur die in der Folge mit den Kunden der S. AG neu abgeschlossenen Verträge - wie die vom Kläger am 27. Februar 2012 unterzeichnete Vereinbarung -, sondern auch die Gläubiger der Altverträge bedient werden konnten. Weiterhin hätte sichergestellt sein müssen, dass die Kundengelder in das Anlagemodell flossen beziehungsweise allenfalls in gewissem - geschäftsüblichen - Umfang sonstige damit im Zusammenhang stehende Verpflichtungen davon bezahlt wurden. Angesichts des vom Berufungsgericht für den Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen der S. AG im Jahr 2013 - mithin relativ kurze Zeit nach Zeichnung des Ankaufvertrags durch den Kläger - festgestellten Verhältnisses von Gläubigerforderungen von 100 Mio. Schweizer Franken zu Aktiva von 700.000 Schweizer Franken und der ebenfalls noch im Jahr 2013 eingetretenen Insolvenz der T. C. GmbH erscheint dies jedoch unrealistisch. Die Höhe der Schulden legt vielmehr die Befürchtung nahe, dass es - entsprechend der bisherigen Geschäftspraxis - absehbar war, auf Kundengelder zurückgreifen zu müssen, um die Forderungen anderer Anleger aus älteren Verträgen zu erfüllen, und der Beklagte diese Entwicklung für möglich hielt und billigend in Kauf nahm. Auch das Berufungsgericht hat in Anbetracht der Vorgehensweise in der Vergangenheit angenommen, es habe ein sehr hohes Risiko bestanden, dass in das in Rede stehende Anlageprodukt auch Altanleger investiert hatten, deren Ansprüche aus der Einlage des Klägers bedient werden würden. Wie schon den obigen Ausführungen zu entnehmen ist, kommt es dabei - anders als in dem Berufungsurteil anklingt - auch nicht darauf an, dass es zwischen den Parteien keinen unmittelbaren Kontakt gegeben hat, sondern der Vertragsschluss über einen Vermittler zustande gekommen ist.
dd) Angesichts dessen durfte vom Kläger in diesem Verfahrensstadium nicht die Darlegung weiterer tatsächlicher Anhaltspunkte zur Substantiierung seiner Behauptungen verlangt werden. Vielmehr wäre es Sache des Beklagten gewesen, eine qualifizierte Gegendarstellung abzugeben, weil etwaige Umstände, die gegen den Vortrag des Klägers streiten könnten, allein der Kenntnissphäre des Beklagten zuzuordnen sind. Dessen pauschales Bestreiten, im fraglichen Zeitraum ein Schneeballsystem betrieben zu haben, genügte nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht. Er hätte seinerseits vielmehr substantiiert vortragen müssen, wieso er in berechtigter Weise glauben durfte, mit dem Wechsel des Geschäftsmodells eine grundsätzliche Wende in der bisher betriebenen Geschäftspolitik erreicht zu haben. Er hätte mithin die geplanten Investitionen in die Geothermie-Projekte, die insoweit vorgesehenen Geldflüsse, den Zeitpunkt und die Höhe der bei seriöser Kalkulation zu erwartenden Renditen und deren geplante Verteilung auf Alt- und Neugläubiger näher erläutern müssen. Dazu wird ihm im neuen Berufungsverfahren noch Gelegenheit zu geben sein. Erst dann, wenn danach greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Investition in die Geothermie-Projekte der S. AG zeitnah genügend Liquidität verschaffte, um all ihren Verbindlichkeiten Folge zu leisten, wäre es wiederum Sache des Klägers als Anspruchsteller nachzuweisen, dass diese Darstellung nicht zutrifft (vgl. zB BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 - VI ZR 367/09, NJW-RR 2011, 1661 Rn. 13 mwN).
2. Das Vorbringen des Klägers als richtig unterstellt, ist ihm infolge der Handlungen des Beklagten ein Schaden in Höhe des der S. AG zur Verfügung gestellten Rückkaufswerts seiner Lebensversicherung entstanden. Besteht der Schaden in der sittenwidrigen Herbeiführung eines Vertrages, richtet sich der Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses (vgl. zB BGH, Urteil vom 28. Februar 1989 aaO S. 831; OLG Frankfurt aaO Rn. 65; Palandt/Sprau, BGB , 80. Aufl., § 826 Rn. 15). Gleiches gilt, wenn man auf einen auf einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung beruhenden Schaden des Klägers im Sinne von § 263 StGB abstellt. Ein solcher bestünde in einer nicht durch einen Vermögenszuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 1 StR 336/11 aaO; Beschluss vom 18. Februar 2009 aaO Rn. 10).
III.
Das Berufungsurteil ist daher im Umfang der Revisionszulassung gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Da noch Feststellungen nachzuholen sind, kommt eine eigene Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht in Betracht. In dem neuen Berufungsrechtszug wird das Oberlandesgericht auch Gelegenheit haben, sich mit dem bereits in der Klageschrift unter Bezugnahme auf den für die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht erstellten Untersuchungsbericht und den Bericht des Insolvenzverwalters über das Vermögen der T. GmbH gehaltenen Sachvortrag zu der Erfolgsaussicht der geplanten Geothermie-Projekte zu befassen. Ebenfalls wird es - sollte es darauf ankommen - die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung zu prüfen haben.
Von Rechts wegen
Verkündet am: 4. Februar 2021