BGH, Versäumnisurteil vom 10.06.2009 - Aktenzeichen XII ZR 19/08
Unangemessene Benachteiligung des Mieters eines Kraftfahrzeugs aufgrund des in einer Klausel geregelten Wegfalls einer Haftungsbeschränkung bei einem Obliegenheitsverstoß nach einem Verkehrsunfall; Nichthinzuziehung der Polizei nach einem Verkehrsunfall als Obliegenheitsverletzung; Kriterien für die Beurteilung der Angemessenheit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Wird in AGB die dem Mieter eines Kraftfahrzeugs gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts gewährte Haftungsfreistellung davon abhängig gemacht, dass er bei Unfällen die Polizei hinzuzieht, liegt darin keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB (im Anschluss an BGH, Urteil vom 11. November 1981 - VIII ZR 271/80 - NJW 1982, 167 ).
Tenor:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 11. Dezember 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung in Höhe von 817,89 EUR zurückgewiesen hat, und das Schlussurteil des Amtsgerichts Norderstedt vom 23. Februar 2007 abgeändert.
Der Beklagte wird - unter Abweisung der weitergehenden Klage -verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag von 817,89 EUR zuzüglich 12,5 % Zinsen für die Zeit vom 21. September 2004 bis 31. Oktober 2004, 9,75 % Zinsen vom 1. November 2004 bis 30. April 2007 sowie 11,05 % Zinsen ab dem 1. Mai 2007 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von AGB-Klauseln der Klägerin, wonach die bei Anmietung eines Kraftfahrzeugs vereinbarte Haftungsbeschränkung unter bestimmten Voraussetzungen entfällt.
Die Klägerin, ein gewerbliches Autovermietungsunternehmen, vermietete mit Vertrag vom 1. Juni 2004 einen Transporter IVECO DAILY an den Beklagten. Die Parteien vereinbarten gegen Entgelt eine Beschränkung der Haftung des Beklagten auf 500 EUR. Im Vertrag heißt es nach der Vereinbarung über die Haftungsbeschränkung:
"Ich akzeptiere diesen Mietvertrag, sowie die ausliegenden Geschäftsbedingungen, welche ausgehändigt wurden. Der Versicherungsschutz entfällt bei: vorsätzlicher, grob fahrlässiger oder alkohol- bzw. drogenbedingter Fahruntüchtigkeit; sowie bei Nichthinzuziehung der Polizei bei Unfall oder Beschädigung. Bundesgrenzüberschreitungen sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung erlaubt."
In den AGB der Klägerin ist u.a. Folgendes bestimmt:
"F. Schäden am Mietwagen ...
II.
Schäden durch Unfall
1.
Ein Unfallschaden im Sinne dieser Bestimmungen ist jedes Ereignis im öffentlichen und privaten Straßenverkehr, das mit diesen Gefahren im ursächlichen Zusammenhang steht und einen Sachschaden am Mietwagen zur Folge hat, ob an dem Unfall ein anderer Verkehrsteilnehmer beteiligt ist oder nicht.
2.
Bei jedem Unfallschaden hat der Mieter:
a)
sofort die Polizei zu verständigen und an der Unfallstelle zu verbleiben, bis zum Eintreffen der benachrichtigten Polizei ...
4.
Der Mieter ist verpflichtet, den Vermieter sofort telefonisch, notfalls telegrafisch, von einem Unfall zu verständigen. ...
G) Haftung des Mieters ...
2.
Vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung des Mieters und berechtigten Lenkers
Durch den Abschluss einer gesonderten Vereinbarung sowie Zahlung eines Aufpreises für eine Haftungsbeschränkung kann die Haftung an Schäden durch den Mieter und berechtigten Lenker beschränkt werden, ...
3.
Unbeschränkte Haftung des Mieters und berechtigten Lenkers trotz vertraglicher Haftungsbeschränkung
Mieter und Lenker haften ungeachtet der unter G.1. und 2. vereinbarten Haftungsbeschränkung dem Vermieter in voller Höhe als Gesamtschuldner auf Schadensersatz:
a)
In allen Fällen, in denen im Rahmen eines Vollkaskoversicherungsvertrages die jeweilige Vollkaskoversicherung (Vermieter) gegenüber ihrem Versicherungsnehmer (Mieter) den Versicherungsschutz gemäß § 61 Versicherungsvertragsgesetz entziehen dürfte sowie darüber hinaus
b)
beim Führen des Kraftfahrzeuges durch den Lenker bei jeglicher Alkohol- oder Drogenbeeinflussung,
c)
bei Verstoß gegen die in F.I. und II. übernommenen Verpflichtungen durch den Mieter, insbesondere bei vertragswidrigem Verlassen der Unfallstelle bzw. bei vertragswidrigem Nichthinzuziehen der Polizei (vgl. F.II.2.a), auch wenn andere Personen oder Fahrzeuge an dem Unfall nicht beteiligt waren bzw. kein Fremdschaden, sondern lediglich Schaden am Mietwagen entstanden ist ..."
Der Beklagte beschädigte das Mietfahrzeug, indem er gegen einen Stein fuhr. Der Klägerin entstand ein Schaden in Höhe von 1.605,08 EUR (Sachschaden: 1.417,89 EUR, Gutachterkosten: 40,19 EUR und Mietausfallschaden: 147 EUR). Die Klägerin hat unter Vorwegabzug der Kaution von 100 EUR 1.505,79 EUR (richtig: 1.505,08 EUR) beantragt. Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Teilanerkenntnisurteil zur Zahlung von 687,19 EUR mit Zinsen verurteilt, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Da der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz dessen ordnungsgemäßer Bekanntgabe nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil zu erkennen. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79 , 82) .
Die Revision hat überwiegend Erfolg.
1.
Das Landgericht hat, soweit für die Revision von Bedeutung, ausgeführt:
Die Haftungsbeschränkung sei nicht deshalb entfallen, weil der Beklagte es versäumt habe, nach dem Unfall die Polizei hinzuzuziehen. Zu Recht sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Bestimmung G.3.c. der AGB der Klägerin, wonach die vereinbarte Haftungsbeschränkung bei vertragswidriger Nichthinzuziehung der Polizei entfalle, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sei, weil der Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt werde. Zwar habe der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1981 (NJW 1982, 167 f.) eine solche Klausel für wirksam gehalten und eine unangemessene Benachteiligung des Mieters mit der Begründung verneint, die Vereinbarung, dass bei jedem Unfall die Polizei hinzugezogen werden müsse, begründe eine Obliegenheit des Mieters, die sich in den vom Leitbild der Kaskoversicherung vorgegebenen Grenzen halte.
Aufgrund neuerer Entwicklungen im Polizeiaufgabenrecht könne die von der Klägerin verwendete Klausel jedoch heute nicht mehr als wirksam angesehen werden. Die Bestimmung in den AGB der Klägerin nehme Bezug auf die Regelung F.II.2. der AGB. Ein vertragswidriges Nichthinzuziehen liege danach vor, wenn der Mieter bei einem Unfallschaden nicht sofort die Polizei verständige und an der Unfallstelle verbleibe, bis die benachrichtigte Polizei eintreffe. Damit werde vorausgesetzt, dass die Polizei bei jedem Verkehrsunfallschaden am Unfallort erscheine, wenn sie verständigt werde. Das sei aber jedenfalls nach den schleswigholsteinischen Richtlinien für die Aufnahme und Bearbeitung von Verkehrsunfällen vom 28. März 1995 nicht mehr der Fall.
Gemäß Ziffer 5.1 der Richtlinien sei es zwar Aufgabe der Polizei, bei Verkehrsunfällen grundsätzlich vor Ort den Sachverhalt festzustellen, den Verkehrsunfall aufzunehmen und den Personalienaustausch für die Schadensregulierung zu unterstützen. Nach Ziffer 5.2 der Richtlinien sei jedoch ein Tätigwerden vor Ort entbehrlich, wenn ein Unfall aufgrund mündlicher oder telefonischer Schilderung als Unfall ohne Personenschaden eingestuft werden könne und nach den geschilderten Umständen den Unfallbeteiligten nur eine unbedeutende oder geringfügige Ordnungswidrigkeit (verwarnungsfähig) vorzuwerfen sei und zusätzliche Maßnahmen, insbesondere Maßnahmen zur Verkehrssicherung nicht erforderlich seien. Das gelte auch dann, wenn bei dem Unfall ein Mietwagen beschädigt worden sei. Eine Ausnahme für Mietwagen sei in den Richtlinien nicht vorgesehen. Eine solche Ausnahme wäre auch mit dem Ziel der Regelung, ein Tätigwerden der Polizei zum bloßen Zwecke der Erleichterung der Schadensregulierung zu vermeiden, nicht zu vereinbaren.
Da die AGB-Bestimmung der Klägerin, wonach die Haftungsbeschränkung entfalle, wenn der Mieter nicht die Polizei hinzuziehe, in den Fällen bloßen Sachschadens, in denen die Polizei nach den Richtlinien nicht vor Ort erscheine, keinen Sinn ergebe, benachteilige sie den Mieter entgegen Treu und Glauben in unangemessener Weise. Dies führe zur Unwirksamkeit der Bestimmung im Ganzen. Eine Beschränkung der Klausel auf die Fälle, in denen die Polizei nach den Richtlinien vor Ort erscheine, würde gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (vgl. Palandt BGB 66. Aufl. vor § 307 Rdn. 8) verstoßen. Der Unwirksamkeit der Klausel könne die Klägerin auch nicht mit dem Hinweis entgehen, dass der Mieter unproblematisch die nächste Polizeidienststelle aufsuchen und dort eine Schadensanzeige abgeben könne, wenn sich die Polizei weigere, am Unfallort zu erscheinen. Denn nach der eindeutigen vertraglichen Regelung sei unter einem Hinzuziehen der Polizei zu verstehen, dass der Mieter die Polizei benachrichtige und am Unfallort bis zum Eintreffen der benachrichtigten Polizei verbleibe. Dass der Mieter bei Weigerung der Polizei, vor Ort zu erscheinen, die nächste Polizeidienststelle aufsuche und dort eine Schadensanzeige abgebe, sei gerade nicht Inhalt der vertraglichen Pflicht, die Polizei hinzuzuziehen.
Darauf, dass der Mietvertrag in Hamburg abgeschlossen und der Mietwagen in Hamburg abgeholt worden sei, der Unfallschaden sich nach dem Vortrag des Beklagten in Hamburg ereignet haben solle und die Polizei in Hamburg nach dem Vortrag der Klägerin auch bei kleineren Blechschäden, sofern fremdes Eigentum beschädigt werde, am Unfallort erscheinen solle, komme es für die Wirksamkeit der AGB-Bestimmung der Klägerin nicht an. Der Umstand, dass die AGB-Bestimmung jedenfalls mit den Richtlinien über die Aufnahme und Bearbeitung von Verkehrsunfällen eines Bundeslandes, nämlich den von Schleswig-Holstein, nicht in Einklang zu bringen sei, reiche aus, um die Unwirksamkeit der Klausel zu begründen. Da es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handele, habe die Klägerin bei der Formulierung ihrer Vertragsbedingungen die Möglichkeit in Betracht zu ziehen gehabt, dass ihr Vertragspartner mit dem Mietwagen in ein anderes Bundesland wie etwa Schleswig-Holstein fahre und sich dort ein Unfall ereigne. Die Fahrt in ein anderes Bundesland sei vertraglich nicht ausgeschlossen. Nach dem als Anlage K 1 eingereichten Mietvertrag sei eine Fahrleistung bis 100 km im gewählten Tarif eingeschlossen, zusätzliche Kilometer seien gesondert zu bezahlen gewesen. Lediglich Überschreitungen der Bundesgrenze hätten der vorherigen schriftlichen Genehmigung bedurft.
Abgesehen davon erweise sich die Bestimmung G.3.c. der AGB der Klägerin im Ganzen deshalb als unwirksam, weil nach ihr die Haftungsbeschränkung bei Obliegenheitsverstößen in jedem Fall entfalle, also ohne Rücksicht auf das Verschulden der Mieter und die Relevanz für die Interessen der Klägerin. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung der Mieter gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.
In der Kaskoversicherung, an deren Leitbild sich die Ausgestaltung der Haftungsbeschränkung im Rahmen von Kfz-Mietverträgen zu orientieren habe (vgl. BGH, NJW 1982, 167 ), führe nicht jede Verletzung von Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dazu, dass der Versicherer von der Leistung frei werde. Vielmehr könne sich der Versicherer bei lediglich leicht fahrlässigen Obliegenheitsverstößen nach § 6 Abs. 3 VVG , § 7 Abs. 5 Satz 4 AKB nicht auf Leistungsfreiheit berufen. Im Falle grob fahrlässiger Obliegenheitsverstöße werde der Versicherer nur unter der Voraussetzung von der Leistung frei, dass die Obliegenheitsverletzung auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder den Umfang der von dem Versicherer zu erbringenden Leistung Einfluss gehabt habe. Bei folgenlos gebliebenen vorsätzlichen Obliegenheitsverletzungen könne sich der Versicherer nur auf Leistungsfreiheit berufen, wenn der Obliegenheitsverstoß generell geeignet gewesen sei, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und den Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden treffe. Dies beruhe auf der Erwägung, die völlige Leistungsfreiheit des Versicherers sei bei vorsätzlichen Obliegenheitsverletzungen, die folgenlos geblieben seien, eine zu harte "Strafe" für den Versicherungsnehmer, weil er den gesamten Versicherungsschutz in jedem Fall ohne Rücksicht darauf verlieren sollte, ob sein Verhalten überhaupt Nachteile für den Versicherer verursacht habe (m.N. Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. 2003 § 6 Rdn. 51 ff.).
Nichts anderes gelte auch für den Wegfall der Haftungsbeschränkung im Rahmen eines Kfz-Mietvertrages. Auch hier wäre es unverhältnismäßig, wenn die Haftungsbeschränkung bei vorsätzlichen folgenlosen Obliegenheitsverstößen ohne Rücksicht auf die generelle Eignung zur Gefährdung der Interessen des Vermieters und das Maß des Verschuldens des Mieters verloren ginge. Genauso sei ein Wegfall der Haftungsbeschränkung bei lediglich leicht fahrlässigen Obliegenheitsverstößen nicht zu rechtfertigen und stünde es außer Verhältnis, wenn der Mieter im Falle grob fahrlässiger Obliegenheitsverstöße die Haftungsbeschränkung ohne Rücksicht auf die konkreten Folgen des Verstoßes verlieren würde (vgl. nunmehr auch BGH, Urteil vom 17. Oktober 2007 - VIII ZR 251/06 - NJW 2008, 214 ), wonach bei einem Gebrauchtwagen-Garantievertrag dem Garantienehmer nicht der Nachweis abgeschnitten werden dürfe, dass eine unterlassene Inspektion nicht für den eingetretenen Schaden ursächlich gewesen sei).
Die Haftungsbeschränkung sei nicht deshalb weggefallen, weil in der Schadensanzeige als Verursacher des Schadens ein Dritter angegeben worden sei, obwohl der Schaden von dem Beklagten verursacht worden sei. Auch der Umstand, dass der Beklagte den Unfall nicht sofort telefonisch der Klägerin gemeldet habe, führe nicht zum Verlust der Haftungsbeschränkung. Genauso wenig sei die Haftungsbeschränkung hier entfallen, weil der Beklagte möglicherweise eine Unfallflucht begangen habe, indem er den Unfall nicht der Polizei gemeldet habe, und er sich später evtl. eines versuchten Prozessbetruges schuldig gemacht habe, als er mit der Klageerwiderung habe vortragen lassen, er habe weder einen Unfall gehabt noch habe er wissentlich Beschädigungen am Mietfahrzeug herbeigeführt oder auch nur wahrgenommen. Schließlich sei die Haftungsbeschränkung auch nicht nach der Bestimmung G.3.a. der AGB der Klägerin, welche § 61 VVG für entsprechend anwendbar erkläre, entfallen.
2.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a)
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Regelung G.3.c. der AGB der Klägerin sei schon deshalb im Ganzen unwirksam, weil nach ihr die Haftungsbeschränkung in jedem Fall entfalle, also ohne Rücksicht auf das Verschulden des Mieters und die Relevanz für die Interessen der Klägerin, ist unzutreffend. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Urteile vom 11. November 1981 - VIII ZR 271/80 - NJW 1982, 167 und vom 15. Mai 1968 - VIII ZR 136/66 - NJW 1968, 2099 ) wird, wenn in allgemeinen Geschäftsbedingungen die dem Mieter eines Kraftfahrzeuges gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts gewährte Haftungsfreistellung davon abhängig gemacht wird, dass er bei Unfällen die Polizei hinzuzieht, der Mieter nicht unangemessen benachteiligt. Eine solche Klausel ist vielmehr wirksam. Die Vereinbarung, dass bei jedem Unfall die Polizei hinzugezogen werden muss, begründet - in Begriffe der Kaskoversicherung umgesetzt - eine Obliegenheit des Mieters. Diese fügt sich in das Leitbild der Kaskoversicherung ein. Bei der Zuziehung der Polizei handelt es sich der Sache nach um nichts anderes als um die Begründung einer Aufklärungspflicht entsprechend derjenigen, die für Kaskoversicherungsfälle bei gleichartiger Interessenlage in § 7 I 2 Satz 3 AKB 1975 enthalten ist. Der Mieter hat es in der Hand, entweder die Obliegenheit zu erfüllen, oder sich über sie hinwegzusetzen, dann aber seine Haftungsfreiheit einzubüßen. Die Obliegenheit hat auch nicht eine Verpflichtung zum Gegenstand, sich selbst bei der Polizei anzuzeigen. Der Mieter hat lediglich bei Unfällen die Polizei hinzuzuziehen, um an Ort und Stelle die erforderlichen Feststellungen treffen zu lassen. Er ist weder verpflichtet, sich selbst zu belasten, noch wird sein Recht, in einem Ermittlungsverfahren die Aussage zu verweigern, berührt.
Zieht der Mieter die Polizei nicht hinzu, führt dies entgegen dem Wortlaut der Klausel allerdings nicht zwingend zum Wegfall des Haftungsausschlusses. Denn auch hinsichtlich der Rechtsfolge der Obliegenheitsverletzung hat sich die Freistellungszusage am Leitbild der Kaskoversicherung zu orientieren. Für diese ist jedoch im Rahmen des § 7 V 4 AKB ebenso wie für die Kfz-Haftpflichtversicherung anerkannt, dass die Leistungsfreiheit bei nachträglichen Obliegenheitsverletzungen sowohl von der Intensität des Verschuldens des Versicherungsnehmers als auch von der Relevanz für die Gefährdung der Interessen des Versicherers abhängt (BGH, Urteile vom 11. November 1981 - VIII ZR 271/80 - NJW 1982, 167 und vom 28. Mai 1975 VersR 1975, 752 ); hieran hat sich durch die jetzt geltende Fassung der AKB (§ 7 V Satz 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG ) nichts geändert. Den Interessen der Versicherung entspricht bei der Haftungsfreistellung durch den Kfz-Vermieter dessen Interesse.
b)
Soweit das Berufungsgericht meint, die ständige Rechtsprechung könne heute keine Anwendung mehr finden, weil die Polizei in Schleswig-Holstein bei Unfällen mit bloßem Sachschaden nach ihren Richtlinien nicht mehr zur Unfallaufnahme verpflichtet und deshalb die in der Klausel enthaltene Verpflichtung sinnlos sei, ist ihm ebenfalls nicht zu folgen.
Für die Beurteilung der Angemessenheit von AGB kommt es in erster Linie auf eine Ermittlung der Interessen an. Zu prüfen ist zunächst, welches Interesse der Verwender an der Aufrechterhaltung der AGB-Klausel hat und welches die Gründe sind, die umgekehrt aus der Sicht des Kunden für den Wegfall der Klausel bestehen. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, welche Konsequenzen die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Klausel für die beiden Parteien hätte, ob und wie jede der Parteien die Verwirklichung des in der Klausel behandelten Vertragsrisikos durch eigene Tätigkeit verhindern, ob und wie sich jede Partei gegen die Folgen einer Verwirklichung des Risikos durch eigene Vorsorge schützen kann. Nach Ermittlung der Interessen hat eine Abwägung zu erfolgen, nach deren Ergebnis sich bestimmt, ob die Klausel als wirksam oder unwirksam anzusehen ist (BGHZ 78, 305). Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Klausel, wonach der Mieter nach einem Unfall die Polizei hinzuzuziehen hat, nicht unangemessen.
aa)
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klausel sei schon deshalb sinnlos, weil der Mieter das Fahrzeug auch im Land Schleswig-Holstein habe benutzen können und bei einem Unfall ohne Personenschaden dort die Polizei nicht erscheine, ist bereits im Ansatz unzutreffend. Wenn - wie im Streitfall - der Vertrag in Hamburg geschlossen wurde, dort das Fahrzeug benutzt werden sollte und sich der Unfall dort ereignet, ergibt die Verpflichtung, die Polizei bei einem Unfall hinzuzuziehen, alleine schon deshalb einen Sinn, weil der Beklagte zwar behauptet, dass die Polizei in Hamburg auch nicht erschienen wäre, dafür aber keinen Beweis angetreten hat. Die - von der Revision aufgeworfene -Frage der geltungserhaltenden Reduktion stellt sich nicht.
Im Übrigen ergibt die Auslegung der schleswigholsteinischen Richtlinien für die Aufnahme und Bearbeitung von Verkehrsunfällen vom 28. März 1995, die der Senat selbst vornehmen kann (Musielak/Ball ZPO 6. Aufl. § 546 Rdn. 4), nicht, dass die polizeiliche Unfallaufnahme bei Unfällen ohne Personenschäden ausgeschlossen ist. Nach Ziffer 5.2 der Richtlinien ist ein Tätigwerden vor Ort entbehrlich, wenn ein Unfall aufgrund mündlicher oder telefonischer Schilderung als Unfall ohne Personenschaden eingestuft werden kann und nach den geschilderten Umständen der Unfallbeteiligten nur eine unbedeutende oder geringfügige Ordnungswidrigkeit (verwarnungsfähig) vorgeworfen werden kann und eine zusätzliche Maßnahme zur Verkehrssicherung nicht erforderlich ist. Die Bestimmung ist dahin auszulegen, dass der Polizei ein Ermessen eingeräumt wird. Sie wird in der Regel bei Unfällen ohne Personenschäden von einer Aufnahme absehen, ausgeschlossen ist die Unfallaufnahme aber nicht. Die Ermessenentscheidung der Polizei wird maßgeblich von der Unfallschilderung des Benachrichtigenden abhängen.
bb)
Der Vermieter hat auch bei Unfällen ohne Personenschaden ein Interesse an der vollständigen Aufklärung des Unfallgeschehens und ist dabei auf die Mithilfe der Polizei angewiesen. Verursacht der Mieter den Unfall vorsätzlich, grob fahrlässig, alkohol- oder drogenbedingt, so wird seine Haftung nicht reduziert. Der Vermieter kann seinen gesamten Unfallschaden ersetzt verlangen. Die dazu erforderliche Aufklärung ist ihm aber ohne Zuziehung der Polizei selten möglich. Der Pkw befindet sich zum Unfallzeitpunkt in der alleinigen Obhut des Mieters. Der Unfallort kann weit entfernt vom Betriebssitz des Vermieters liegen, so dass auch die - im Vertrag vorgesehene - Benachrichtigung des Vermieters vom Unfall dessen Aufklärungsmöglichkeiten beschränkt. Der Vermieter ist auf die Arbeit der Polizei am Unfallort angewiesen. Unfallverursachung aufgrund alkohol- oder drogenbedingter Fahruntüchtigkeit ist ohne Mitwirkung der Polizei kaum nachzuweisen. Werden Umstände, die die Haftungsreduzierung beseitigen (Alkohol, Drogen, vorsätzliche oder grob fahrlässige Unfallverursachung) nicht am Unfallort oder zumindest im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zum Unfall ermittelt, geht dies regelmäßig zum Nachteil des Vermieters.
cc)
Der Vermieter hat deshalb ein besonderes Interesse daran, dass die Entscheidung, ob eine polizeiliche Unfallaufnahme durchgeführt wird, von der Polizei selbst und nicht vom Mieter getroffen wird. Muss der Mieter die Polizei nicht hinzuziehen, scheidet eine Sachaufklärung von vornherein aus. Die Feststellung besonderer Umstände, die die Haftungsreduzierung ausschließen, ist dann nicht möglich. Muss der Mieter die Polizei benachrichtigen, wird er zwar den Unfall so schildern, dass ihm der Wegfall der Haftungsreduzierung nicht droht. Jedoch kann die Polizei durch geeignete Nachfragen und unter Einsatz ihrer Erfahrung das Vorbringen des Verursachers auf Plausibilität überprüfen und dann eine Entscheidung treffen, ob ein einfacher Sachschaden vorliegt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Polizei zur Unfallaufnahme erscheint, obwohl der Verursacher den Unfallhergang so geschildert hat, dass eine polizeiliche Unfallaufnahme zunächst nicht veranlasst schien. Jedenfalls ist es für den Vermieter günstiger, wenn die Polizei selbst entscheidet, ob sie den Unfall aufnimmt.
dd)
Es kommt hinzu, dass die Klausel allein durch ihre Existenz hilft, an der Aufklärung mitzuwirken. Der Mieter hat es in der Hand, entweder die Obliegenheit zu erfüllen oder sich über sie hinwegzusetzen, dann aber seine Haftungsfreiheit einzubüßen (BGH Urteil vom 11. November 1981 - VIII ZR 271/80 - NJW 1982, 167 ). Hat der Mieter den Unfall alkohol- oder drogenbedingt verursacht, wird er eine polizeiliche Unfallaufnahme scheuen und deshalb von der Benachrichtigung der Polizei absehen. Dies führt, wenn die Klausel als gültig angesehen wird, dazu, dass die Haftungsreduzierung wegfällt. Der Vermieter erreicht so die Durchsetzung seiner berechtigten Interessen.
ee)
Demgegenüber belastet die Pflicht, die Polizei hinzuzuziehen, den Mieter nur gering. Bei den heutigen Möglichkeiten der Telekommunikation ist der Aufwand minimal. Der Mieter muss sich auch nicht selbst belasten. Es genügt der Hinweis, dass ein von ihm gemietetes Fahrzeug einen Unfall erlitten hat.
ff)
Hinzu kommt, dass ein Verstoß gegen die Pflicht, die Polizei beizuziehen, nicht automatisch zur vollen Haftung führt. Wie ausgeführt, kommt es entgegen dem Wortlaut der Klausel nur dann zu einem Wegfall der Haftungsreduzierung, wenn den Mieter ein erhebliches Verschulden an der unterbliebenen Hinzuziehung der Polizei trifft und der Pflichtenverstoß relevant ist. Letzteres ist dann nicht der Fall, wenn - wie der Mieter gegebenenfalls zu beweisen hat - die Polizei auch bei Benachrichtigung nicht erschienen wäre. Damit sind die Interessen des Mieters ausreichend gewahrt.
Die Abwägung der Interessen der Parteien ergibt, dass der Beklagte durch die Pflicht zur Beiziehung der Polizei, auch wenn diese nur noch eingeschränkt zur Unfallaufnahme verpflichtet ist, nicht unangemessen beeinträchtigt wird.
3.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Die Höhe der einzelnen Schadenspositionen ist unstreitig. Die Summe beträgt allerdings nicht 1.605,79 EUR, sondern lediglich 1.605,08 EUR. Nach Abzug von 100 EUR (Kautionsvorauszahlung) und 687,19 EUR (Teilanerkenntnisurteil) verbleibt ein Anspruch von 817,89 EUR. In Höhe von 0,71 EUR ist die Revision zurückzuweisen.