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BGH - Entscheidung vom 17.08.2021

VIII ZR 378/19

Normen:
BGB § 826

Fundstellen:
VRS 2021, 294
VRS 2021, 301

BGH, Beschluss vom 17.08.2021 - Aktenzeichen VIII ZR 378/19

DRsp Nr. 2021/14766

Haftung einer Motorenherstellerin aufgrund sittenwidriger Schädigung; Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit einer als unzulässigen Abschalteinrichtung

1. Im Falle des Kaufs eines Fahrzeugs mit unzulässiger Motorsteuerungssoftware geht es im Verhältnis zwischen dem Käufer und dem Vertragshändler um Ansprüche auf Rückabwicklung des geschlossenen Kaufvertrags, im Verhältnis zum Hersteller des Motors dagegen um Ansprüche aus dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit einer als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufenden Software.2. Eine Beschränkung der Zulassung der Revision ist auchauf einzelne Prozessparteien zulässig, sofern der Grund der Revisionszulassung eine bestimmte Rechtsfrage ist, die das Berufungsgericht zum Nachteil nur einer Prozesspartei entschieden hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 17. Zivilsenat - vom 18. Juli 2019 wird als unzulässig verworfen. Die - insoweit vorsorglich eingelegte - Nichtzulassungsbeschwerde gegen das vorbezeichnete Urteil wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisions- und Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Revisions- und Beschwerdeverfahrens wird auf 31.268 € festgesetzt.

Normenkette:

BGB § 826 ;

Gründe

I.

1. Der Ehemann der Klägerin, dessen Alleinerbin diese ist, erwarb im September 2011 von der Beklagten, einer Skoda-Vertragshändlerin, einen Neuwagen Skoda Oktavia Combi 2,0 TDI zum Preis von 31.268 €. Die Übergabe des Fahrzeugs erfolgte am 9. März 2012. Das Fahrzeug ist mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor EA 189 ausgestattet. Die Software zur Motorsteuerung verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi. Auf dem Prüfstand wird der "Modus 1" aktiviert, der den Stickoxidausstoß verringert, während bei den im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Bedingungen der zu einem höheren Austritt von Stickoxiden führende "Modus 0" eingeschaltet ist. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2015 erklärte der Ehemann der Klägerin gegenüber der Beklagten die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung des Kaufvertrags auf. Die Beklagte trat diesem Verlangen mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 entgegen und erhob die Einrede der Verjährung hinsichtlich etwaiger Gewährleistungsansprüche.

Mit ihrer bei dem Landgericht am 28. Dezember 2015 eingereichten, der Beklagten am 11. Januar 2016 zugestellten Klage hat die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 31.268 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs und gegen Zahlung einer von der Beklagten noch darzulegenden Nutzungsentschädigung, sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde.

Darüber hinaus hat die Klägerin mit ihrer Klage gegenüber der Herstellerin des Motors die Feststellung begehrt, dass diese ihr nach §§ 826 , 31 BGB zum Ersatz der aus der Installation der oben genannten Motorsteuerungssoftware resultierenden Schäden verpflichtet sei. Diese Klage ist nach der in der Revisionsinstanz erfolgten Abtrennung (§ 145 Abs. 1 ZPO ) nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

2. Die Klage gegen die beklagte Vertragshändlerin ist in den Vorinstanzen (anders als die gegen die Herstellerin des Motors gerichtete Klage) ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint, da der Kaufvertrag - entgegen der Auffassung der Klägerin - weder wegen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV noch im Hinblick auf die von der Klägerin erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB ) nichtig sei. Einen Anspruch der Klägerin auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 434 Abs. 1 , §§ 440 , 323 Abs. 1 , §§ 346 , 348 BGB hat das Berufungsgericht ebenfalls verneint, da der Rücktritt der Klägerin gemäß § 438 Abs. 4 Satz 1, § 218 BGB unwirksam sei, weil ein Anspruch der Klägerin auf Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1 BGB ) verjährt sei (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB ) und die Beklagte sich zulässigerweise hierauf habe berufen dürfen. Vertragliche oder vorvertragliche Schadensersatzansprüche stünden der Klägerin gegen die Beklagte ebenfalls nicht zu, da letztere die Pflichtverletzung (Lieferung einer mangelhaften Sache) nicht zu vertreten habe. Damit entfalle zugleich die Grundlage für das hierauf bezogene Begehren der Klägerin auf Feststellung des Verzugs der Beklagten mit der Rücknahme des erworbenen Fahrzeugs sowie für einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Anwaltskosten.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Vorsorglich hat sie, soweit das Berufungsgericht die Revision zugunsten der Klägerin nicht oder nur beschränkt zugelassen haben sollte, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

II.

1. Bezüglich des vorliegenden, gegen die beklagte Vertragshändlerin geführten Verfahrens ist die Revision als unzulässig zu verwerfen (§ 552 ZPO ).

a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht - wie die Revisionserwiderung zutreffend rügt - die Zulassung der Revision wirksam auf die gegen die Herstellerin des Motors verfolgten Ansprüche beschränkt.

aa) Eine Beschränkung der Revisionszulassung muss nicht im Tenor des Urteils angeordnet sein, sondern kann sich auch aus dessen Entscheidungsgründen ergeben, wenn sie sich diesen mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen lässt. Dies ist anzunehmen, wenn die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage nur für einen selbständig anfechtbaren Teil des Streitstoffs erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrunds regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Anspruch zu sehen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 19. September 2018 - VIII ZR 261/17, WuM 2018, 758 Rn. 14 mwN; vom 29. September 2020 - VI ZR 445/19, juris Rn. 11; Senatsbeschlüsse vom 13. Mai 2020 - VIII ZR 222/18, NJW 2020, 3258 Rn. 9 mwN; vom 25. Februar 2021 - VIII ZR 347/19, juris Rn. 6). Demgemäß ist auch eine Beschränkung der Zulassung der Revision auf einzelne Prozessparteien zulässig, sofern der Grund der Revisionszulassung eine bestimmte Rechtsfrage ist, die das Berufungsgericht zum Nachteil nur einer Prozesspartei entschieden hat (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 2014 - VIII ZR 264/13, juris Rn. 8; vom 27. März 2014 - III ZR 387/13, juris Rn. 5; vom 26. September 2012 - IV ZR 108/12, VersR 2013, 120 Rn. 7; vom 19. Februar 2019 - XI ZR 362/17, WM 2019, 538 Rn. 2; jeweils mwN; vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 29).

bb) So liegen die Dinge hier. Das Berufungsgericht hat die Revision, wie sich aus seiner hierzu gegebenen Begründung ergibt, wegen der "höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage einer Haftung der Beklagten zu 2 gemäß § 826 BGB " zugelassen. Diese Frage einer Haftung aufgrund sittenwidriger Schädigung stellt sich nur bezüglich dieser Partei (Herstellerin des Motors) und kommt für die Beklagte des vorliegenden Verfahrens (Vertragshändlerin) von vornherein nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Februar 2021 - VIII ZR 347/19, juris Rn. 7). Die Revision versucht vergeblich, etwas anderes aus der - unzutreffenden (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 9. Juni 2020 - VIII ZR 315/19, NJW 2020, 3312 Rn. 8, 12 ff. mwN) - Überlegung herzuleiten, die mit § 826 BGB zusammenhängenden Haftungsfragen beträfen deswegen die Gesamtheit des Streitstoffs und nicht nur einen selbständigen Teil, weil das Verhalten der Herstellerin des Motors der beklagten Vertragshändlerin vermeintlich zuzurechnen sei.

b) Die Beschränkung der Revisionszulassung ist auch wirksam, weil es sich bei den Ansprüchen der Klägerin gegen die Beklagte um einen von den Ansprüchen gegen die Herstellerin des Motors rechtlich und tatsächlich abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs handelt, auf den auch die Partei selbst die Revision hätte beschränken können (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 25. Februar 2021 - VIII ZR 347/19, juris Rn. 8; vom 26. Januar 2021 - VIII ZR 357/20, juris Rn. 10; Senatsurteile vom 19. September 2018 - VIII ZR 261/17, WuM 2018, 758 Rn. 17; vom 15. März 2017 - VIII ZR 295/15, NJW 2017, 2679 Rn. 13). Entgegen der von der Revision geäußerten Auffassung liegt den Ansprüchen gegen die Vertragshändlerin und gegen die Herstellerin des Motors nicht derselbe Lebenssachverhalt zugrunde und betrifft die in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts angeführte Frage der Haftung der Herstellerin des Motors nach § 826 BGB nicht den gesamten Streitstoff.

Vielmehr geht es im Prozessrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten um Ansprüche auf Rückabwicklung des geschlossenen Kaufvertrags, im Verhältnis der Klägerin zu der Herstellerin des Motors dagegen um Ansprüche aus dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit einer als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufenden Software. Anknüpfungspunkt für die jeweiligen Ansprüche sind damit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht voneinander zu trennende Verhaltensweisen von Verkäuferin und Herstellerin (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Februar 2021 - VIII ZR 347/19, juris Rn. 8). Auch der Umstand, dass der Beklagten - wie die Klägerin unzutreffend ausführt - das Verhalten der Herstellerin des Motors nach § 278 BGB oder im Rahmen einer nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB erklärten Anfechtung zuzurechnen sei (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 9. Juni 2020 - VIII ZR 315/19, NJW 2020, 3312 Rn. 12 ff. und 17 ff.; Senatsurteil vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20, juris Rn. 90 mwN), hat nicht zur Folge, dass es sich mit Rücksicht darauf bei dem Gesamtkomplex um einen beide Beklagte umfassenden einheitlichen und nicht trennbaren Lebenssachverhalt handelte (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Februar 2021 - VIII ZR 347/19, aaO).

2. Die vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: LG Baden-Baden, vom 29.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 416/16
Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 18.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 17 U 160/18
Fundstellen
VRS 2021, 294
VRS 2021, 301