BGH, Beschluß vom 24.07.2008 - Aktenzeichen 3 StR 243/08
Feststellungen zur bandenmäßigen Begehung, keine "automatische" Zurechnung der Bandentaten
1. Schließen sich mehrere Täter zu einer Bande zusammen, um fortgesetzt Diebstähle nach § 242 Abs. 1 , § 244 a Abs. 1 StGB zu begehen, hat dies nicht zur Folge, dass jede von einem der Bandenmitglieder aufgrund der Bandenabrede begangene Tat den anderen Bandenmitgliedern ohne weiteres als gemeinschaftlich begangene Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. 2. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .
1. Nach den Feststellungen brachen die Mitangeklagten R., H. und M. in Tankstellen oder Lebensmittelmärkte ein und entwendeten daraus Tresore sowie Zigaretten. In einigen Fällen blieb es beim Versuch. Fünf dieser Taten förderte der Angeklagte dadurch, dass er absprachegemäß die zu ihm gebrachten Tresore in seiner Werkstatt aufschweißte und anschließend entsorgte bzw. - im Fall des Versuchs - einen solchen Tatbeitrag zuvor zugesagt hatte. Für zwei Einbruchsdiebstähle stellte er zudem seinen Transporter zur Verfügung. Die jeweils in den Tresoren enthaltenen Geldbeträge zwischen 4.000 und 25.000 Euro teilten die Mitangeklagten R., H. und M. unter sich auf, während der Angeklagte für das Aufschweißen und Entsorgen der Tresore jeweils einen Betrag zwischen 400 und 500 Euro erhielt. In einer Nacht (Fälle II. 7. und 8. der Urteilsgründe) entwendeten die Mitangeklagten nacheinander aus zwei Tankstellen jeweils einen Tresor. Anschließend brachten sie beide Tresore zu dem Angeklagten, der sie gegen die übliche Entlohnung aufschweißte und entsorgte.
Das Landgericht hat dem Angeklagten alle Taten, an denen er beteiligt war, als Mittäter zugerechnet. Außerdem hat es in den Fällen II. 7. und 8. der Urteilsgründe das Aufschweißen der zwei aus verschiedenen Einbruchsdiebstählen stammenden Tresore als in Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB ) zueinander stehende Einzeltaten bewertet.
2. Die rechtliche Wertung des Landgerichts hält zum Teil der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte lediglich der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl (§ 242 Abs. 1 , § 244 a Abs. 1 , § 27 Abs. 1 StGB ) in drei Fällen sowie der Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl (§ 242 Abs. 1 , § 244 a Abs. 1 , §§ 22 , 27 Abs. 1 StGB ) schuldig.
a) Schließen sich mehrere Täter - wie vom Landgericht auch hinsichtlich des Angeklagten rechtsfehlerfrei angenommen - zu einer Bande zusammen, um fortgesetzt Diebstähle nach § 242 Abs. 1 , § 244 a Abs. 1 StGB zu begehen, hat dies nicht zur Folge, dass jede von einem der Bandenmitglieder aufgrund der Bandenabrede begangene Tat den anderen Bandenmitgliedern ohne weiteres als gemeinschaftlich begangene Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben. Die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft an bzw. Beihilfe zu der jeweiligen Einzeltat ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen, die von der Vorstellung des jeweiligen Bandenmitglieds umfasst sind. Maßgeblich sind dabei insbesondere sein Interesse an der Durchführung der Tat sowie der Umfang seiner Tatherrschaft oder jedenfalls sein Wille Tatherrschaft auszuüben, d. h. ob objektiv oder jedenfalls aus seiner Sicht die Ausführung der Tat wesentlich von seiner Mitwirkung abhängt (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 265, 267; Fischer, StGB 55. Aufl. § 25 Rdn. 12 und § 244 Rdn. 19 a).
Nach diesen Kriterien sind die festgestellten Tatbeiträge des Angeklagten als Beihilfehandlungen zu werten. Diese beschränkten sich mit dem Aufschweißen der angelieferten Tresore und dem Überlassen des Transporters auf unterstützende Tätigkeiten. Die Einbrüche in die Tankstellen und die Lebensmittelmärkte sowie die Entwendung der Tresore erfolgten durch andere Bandenmitglieder, die über deren Durchführung und die Auswahl der Tatobjekte ohne den Angeklagten entschieden, der nur über die bevorstehende Anlieferung der Tresore unterrichtet wurde. Für das Aufschweißen bekam der Angeklagte jeweils nur einen angesichts der Tatbeute vergleichsweise geringen Betrag als Entlohnung. Unter diesen Umständen ist eine Tatherrschaft des Angeklagten ebenso wenig erkennbar wie sein Wille hierzu.
b) In den Fällen II. 7. und 8. der Urteilsgründe hat der Angeklagte die zwei selbständigen Haupttaten durch eine Unterstützungshandlung gefördert, so dass auch nur eine Beihilfe vorliegt. Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Straftaten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden der Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (BGH NStZ-RR 2003, 265, 267). Hat ein Gehilfe, der an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht beteiligt war, einen mehrere Einzeldelikte fördernden einheitlichen Tatbeitrag erbracht, werden ihm insoweit die jeweiligen Taten der Haupttäter nur als tateinheitlich begangen zugerechnet, weil sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die Haupttäter die ihnen zurechenbaren Taten tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Belang (vgl. BGH wistra 2001, 336, 337 m. w. N; Fischer aaO. vor § 52 Rdn. 34, 36).
Ein die zwei Einbruchsdiebstähle fördernder einheitlicher Tatbeitrag des Angeklagten ist festgestellt. Er sagte - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt - vor deren Durchführung zu, die Tresore, die in dieser Nacht erbeutet werden, aufzuschweißen. Die Tresore wurden zusammen angeliefert und vom Angeklagten unmittelbar nacheinander geöffnet.
3. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Taten führen. Er ändert deshalb den Schuldspruch entsprechend (§ 354 Abs. 1 StPO ). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
4. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Die Feststellungen zum Strafausspruch sind rechtsfehlerfrei getroffenen und können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende weitere Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.