BGH, Beschluss vom 07.05.2009 - Aktenzeichen V ZB 12/09
Zulässigkeit eines Einzelausgebot der Miteigentumsanteile bei einer Grundstücksversteigerung zum Zweck der Aufhebung der Mietergemeinschaft; Kündigung nach § 87 Abs. 1 Alt. 1 Zivilprozessordnung ( ZPO ) mit der Folge des Erlöschens der Vollmacht
Bei der Grundstücksversteigerung zum Zweck der Aufhebung der Gemeinschaft ist das Einzelausgebot der Miteigentumsanteile unzulässig.
Tenor:
Der Beteiligten zu 1 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 4. Dezember 2008 gewährt.
Diese Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 22.700 EUR.
Normenkette:
ZPO § 87 Abs. 1 ; ZPO § 172 Abs. 1 ; ZPO § 571 ; ZPO § 574 ; ZPO § 575 ; ZPO § 577 Abs. 1 ; ZVG § 63 Abs. 1 ;Gründe:
I.
Die Beteiligten sind zu je ½ Miteigentümer des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes. Sie betreiben das Versteigerungsverfahren zum Zweck der Aufhebung der Gemeinschaft.
In dem Versteigerungstermin am 26. August 2008 beantragte die Beteiligte zu 1 das Einzelausgebot beider Miteigentumsanteile. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 2. September 2008 hat es dem Beteiligten zu 2 den Zuschlag erteilt. Dagegen haben die früheren Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 sofortige Beschwerde eingelegt. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens kündigte die Beteiligte zu 1 das Mandatsverhältnis.
Die das Rechtsmittel zurückweisende Entscheidung des Beschwerdegerichts wurde den früheren Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 am 10. Dezember 2008 zugestellt. Mit am 2. Februar 2009 bei dem Bundesgerichtshof eingegangenen Schriftsatz hat die Beteiligte zu 1 Rechtsbeschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass ihre früheren Verfahrensbevollmächtigten ihr den angefochtenen Beschluss lediglich zur Kenntnisnahme und zum Verbleib ohne Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels und ohne Belehrung über die Rechtsmittelfrist übersandt hätten. Erst am 19. Januar 2009 habe sie erfahren, dass sie ein Rechtsmittel einlegen könne. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2009, der an demselben Tag bei dem Bundesgerichtshof eingegangen ist, hat die Beteiligte zu 1 die Rechtsbeschwerde begründet.
II.
Das zulässigerweise auf die Zurückweisung des Antrags auf Einzelausgebot der Miteigentumsanteile beschränkte Rechtsmittel ist statthaft ( § 574 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 3 ZPO ); es ist auch zulässig, obwohl es nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung eingelegt und begründet worden ist ( § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO ). Denn der Beteiligten zu 1 ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Fristversäumung zu gewähren, weil sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war.
1.
Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist der Beteiligten zu 1 am 10. Dezember 2008 wirksam zugestellt worden.
a)
Die Zustellung erfolgte an ihre früheren Verfahrensbevollmächtigten, die für sie am 18. September 2008 die sofortige Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss eingelegt hatten. Diese Zustellung war trotz der Kündigung des Mandatsverhältnisses durch die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 15. Oktober 2008 wirksam. Abweichend von § 168 Abs. 1 BGB hatte nämlich die Kündigung nach § 87 Abs. 1 Alt. 1 ZPO nicht das Erlöschen der Vollmacht zur Folge, weil es dem Beschwerdegericht nicht angezeigt worden war (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Juli 1985, IVb ZB 102/84, VersR 1985, 1185, 1186). Nach § 172 Abs. 1 ZPO musste die Zustellung deshalb an die früheren Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 erfolgen; diese Notwendigkeit endete erst mit der Anzeige der Mandatsbeendigung dem Gericht gegenüber ( BGH, Beschl. v. 19. September 2007, VIII ZB 44/07, NJW 2008, 234 ), an der es hier fehlt.
b)
Die Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde liefen somit am 12. Januar 2009 (Montag) ab. Die Einlegung der Rechtsbeschwerde am 2. Februar 2009 und ihre Begründung am 10. Februar 2009 waren verspätet.
2.
Dies hat jedoch nicht die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nach § 577 Abs. 1 ZPO zur Folge. Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nämlich begründet; sie war ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert.
a)
Die Beteiligte zu 1 hat durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass ihr die Entscheidung des Beschwerdegerichts am 10. Januar 2009 über ihre früheren Verfahrensbevollmächtigten ohne Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels und eventuell laufende Fristen zugegangen sei, und dass sie erst am 19. Januar 2009 erfahren habe, ein Rechtsmittel gegen den Beschluss einlegen zu können; dies sei ihr zuvor nicht bekannt gewesen.
b)
Das Vorbringen reicht aus, ein Verschulden der Beteiligten zu 1 an der Fristversäumung zu verneinen. Dies folgt schon daraus, dass der angefochtene Beschluss keine Rechtsmittelbelehrung enthält.
aa)
Der Senat hat in seinem Beschluss vom 26. März 2009 ( V ZB 174/08, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) entschieden, dass sich für die gemäß §§ 869 , 793 ZPO befristeten Rechtsmittel in Zwangsversteigerungsverfahren unmittelbar aus der Verfassung das Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung ergibt und fehlendes Verschulden des Rechtsmittelführers unwiderleglich zu vermuten ist, wenn der Belehrungsmangel für die Versäumung der Rechtsmittelfrist ursächlich ist.
bb)
Nichts anderes gilt für das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde. Denn seine Erfordernisse sind ebenso kompliziert und schwer zu erfassen wie diejenigen der sofortigen Beschwerde nach §§ 869 , 793 ZPO : Zwar ist die Rechtsbeschwerde in Zwangsversteigerungssachen nur bei Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft ( § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ); da die Zulassung in der Entscheidung des Beschwerdegerichts ausgesprochen werden muss, bestehen über die Statthaftigkeit keine Unklarheiten. Aber die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt, anders als bei der sofortigen Beschwerde ( § 569 Abs. 1 ZPO ), nicht zwei Wochen, sondern einen Monat ( § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO ); auch muss die Rechtsbeschwerde - wiederum anders als die sofortige Beschwerde ( § 571 Abs. 1 ZPO ) - binnen einer Frist von einem Monat begründet werden, damit sie zulässig ist ( §§ 575 Abs. 3 , 577 Abs. 1 ZPO ); schließlich findet die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof und nicht zu dem dem Beschwerdegericht übergeordneten Oberlandesgericht statt mit der Folge, dass sich die Partei durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen muss ( § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO ). Dies alles steht der Erwartung entgegen, der zur Einlegung der Rechtsbeschwerde Befugte werde sich in zumutbarer Weise über die Voraussetzungen des Rechtsmittels rechtzeitig Aufklärung verschaffen können, und führt zu dem sich aus der Verfassung ergebenden Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung (vgl. BVerfGE 93, 99 , 107) .
cc)
Da es hieran fehlt, trifft die Beteiligte zu 1 an der Fristversäumung aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 26. März 2009 ( V ZB 174/08), auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen wird, kein Verschulden.
c)
Die Beteiligte zu 1 hat nach den Angaben in ihrer eidesstattlichen Versicherung am 19. Januar 2009 von den Voraussetzungen des Rechtsmittels Kenntnis erlangt. Damit begann die in § 234 Abs. 1 ZPO bestimmte Frist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist zu beantragen. Die Frist ist durch den am 2. Februar 2009 bei dem Bundesgerichtshof eingegangenen Antrag, mit dem die Einlegung der Rechtsbeschwerde verbunden war, gewahrt. Die beantragte Wiedereinsetzung ist der Beteiligten zu 1 somit zu gewähren. Da auch die ebenfalls mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundene Rechtsbeschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO eingegangen ist, ist der Beteiligten zu 1 auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist zu gewähren.
III.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts kommt das Einzelausgebot von Miteigentumsanteilen bei der Versteigerung eines Grundstücks zum Zweck der Aufhebung der Gemeinschaft ( §§ 180 ff. ZVG , Teilungsversteigerung) nicht in Betracht. Dies ergebe sich aus dem Sinn des Verfahrens, weil anderenfalls die Gemeinschaft nicht auseinandergesetzt würde.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
1.
Entsprechend § 63 Abs. 1 Satz 1 ZVG sind bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks, an dem Bruchteilseigentum besteht, die Eigentumsanteile einzeln auszubieten; das nach § 63 Abs. 1 Satz 2 ZVG zulässige Gesamtausgebot verdrängt das Einzelausgebot nicht, sondern dieses unterbleibt nur dann, wenn die in § 63 Abs. 4 Satz 1 ZVG genannten Beteiligten hierauf verzichten (Senat , Beschl. v. 30. Oktober 2008, V ZB 41/08, NJW-RR 2009, 158 ).
2.
Dagegen wird das Einzelausgebot der Miteigentumsanteile bei der Teilungsversteigerung im Schrifttum für unzulässig gehalten (Hintzen in: Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG , 13. Aufl., § 180 Rdn. 122; Böttcher, ZVG , 4. Aufl. § 180 Rdn. 94; Steiner/Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 180 ZVG Rdn. 162; Stöber, ZVG , 18. Aufl., § 180 Anm. 7.11c; Drischler, JurBüro 1981, 1765, 1767; Schiffhauer, ZIP 1982, 660, 664). Dies wird damit begründet, dass das Einzelausgebot dem Zweck des Verfahrens, die Auseinandersetzung der Gemeinschaft herbeizuführen, widerspreche.
3.
In der Rechtsprechung ist - soweit ersichtlich - bisher nicht darüber befunden worden, ob auch bei der Teilungsversteigerung die Miteigentumsanteile einzeln auszubieten sind. Insbesondere haben sich weder das Thüringische Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 10. Juli 2000 (Rpfleger 2000, 509 ) noch der Senat in seinem Beschluss vom 30. Oktober 2008 ( V ZB 41/08, aaO) hierzu geäußert. Falls das Beschwerdegericht dies anders gesehen hat, wie seine Ausführungen auf Seite 3 unten/4 oben des angefochtenen Beschlusses es als möglich erscheinen lassen, ist das nicht richtig.
4.
Der Senat entscheidet die Frage nunmehr dahin, dass die im Schrifttum vertretene Ansicht zutrifft.
a)
Die Teilungsversteigerung nach § 180 ff. ZVG findet statt, wenn die Teilung eines mehreren gehörenden Grundstücks in Natur nicht möglich ist ( § 753 Abs. 1 Satz 1 BGB ). Das Verfahren dient der Ersetzung eines unteilbaren durch einen teilbaren Gegenstand, d.h. der Schaffung eines unter den Miteigentümern verteilungsfähigen Erlöses in Geld. Es bereitet mithin eine anderweitig gesetzlich oder vertraglich geregelte vermögensrechtliche Auseinandersetzung unter den Eigentümern lediglich vor und hat nicht die Funktion, diese Auseinandersetzung zu ersetzen oder vorwegzunehmen (BVerfGE 42, 64 , 75) . Das Verfahren ist auf die vollständige und endgültige Aufhebung der Gemeinschaft und nicht nur auf das Ausscheiden einzelner Miteigentümer unter Fortbestand der Gemeinschaft in anderer personeller Zusammensetzung gerichtet.
b)
Mit diesem Verfahrenszweck ist das Einzelausgebot der Miteigentumsanteile nicht zu vereinbaren. Denn es kann zu dem Ergebnis führen, dass nicht auf sämtliche Anteile geboten wird. In diesem Fall wird die Gemeinschaft nicht aufgehoben. Ihre Aufhebung kann auch nicht auf andere Weise, wie durch den Verzicht auf den Miteigentumsanteil, herbeigeführt werden; denn ein solcher Verzicht ist unzulässig (Senat, BGHZ 172, 209 , 214 ff.). Deshalb ist - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - mit dem Einzelausgebot weder dem Verfahrenszweck noch den Interessen der das Verfahren betreibenden Miteigentümer, aus der Gemeinschaft auszuscheiden, Genüge getan. Der auf den Senatsbeschluss vom 28. September 2006 ( V ZB 55/06, NJW-RR 2007, 1139 ) gestützte Einwand der Rechtsbeschwerde, dass das auf ein Gesamtausgebot abgegebene Meistgebot erfahrungsgemäß geringer sei als das Gesamtergebnis der auf Einzelausgebote abgegebenen Meistgebote und deshalb die Interessen der Miteigentümer an einem möglichst günstigen Ergebnis der Versteigerung nur bei dem Einzelausgebot der Miteigentumsanteile gewahrt würden, ist nicht tragfähig. Denn jedem Antrag auf Teilungsversteigerung liegt zwar die Erwartung zugrunde, dass ein vernünftiger Erlös erzielt werden kann; dieser muss aber nicht der denkbar günstigste sein (BVerfGE aaO). Zudem gilt der Erfahrungssatz des geringeren Meistgebots auf ein Gesamtausgebot nur bei der Zwangsversteigerung mehrerer Grundstücke, nicht aber bei der Teilungsversteigerung eines einzigen Grundstücks. Der in der Rechtsbeschwerdebegründung enthaltene Hinweis auf § 63 Abs. 2 Satz 1 ZVG , wonach jeder Beteiligte ein Gesamtausgebot verlangen kann, gibt für die Zulässigkeit des Einzelausgebots jedes Miteigentumsanteils bei der Teilungsversteigerung nichts her.
5.
Die Zurückweisung des Antrags der Beteiligten zu 1 auf das Einzelausgebot der beiden Miteigentumsanteile erfolgte somit zu Recht. Sie steht der Erteilung des Zuschlags an den Beteiligten zu 2 nicht entgegen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO . Zwar scheidet im Zuschlagsbeschwerdeverfahren ein Ausspruch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aus, weil sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen. Etwas anderes gilt aber in Verfahren der Teilungsversteigerung, wenn sich - wie hier - Miteigentümer mit entgegengesetzten Interessen streiten (Senat , Beschl. v. 20. Juli 2006, V ZB 168/05, NJW-RR 2007, 143 ).