Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerfG - Entscheidung vom 19.06.2008

2 BvR 1111/08

Normen:
BVerfGG § 90 Abs. 2
StPO § 110 § 33a

BVerfG, Beschluss vom 19.06.2008 - Aktenzeichen 2 BvR 1111/08

DRsp Nr. 2008/12802

Erschöpfung des Rechtswegs bei Gehörsverletzung

Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht, so verlangt der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, dass dieser Grundrechtsverstoß im Ausgangsverfahren erfolglos zum Gegenstand einer Anhörungsrüge gemacht worden ist

Normenkette:

BVerfGG § 90 Abs. 2 ; StPO § 110 § 33a ;

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG ). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers; denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg nicht erschöpft. Soweit er beanstandet, dass sich das Landgericht mit wesentlichem Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht auseinander gesetzt habe, macht er eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend. Gegen Gehörsverletzungen steht gemäß § 33a StPO der Rechtsweg der Anhörungsrüge zur Verfügung. Solange der Beschwerdeführer von diesem zum Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG gehörenden Rechtsbehelf keinen Gebrauch gemacht hat, ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig. Denn werden - wie hier - neben der Verletzung rechtlichen Gehörs noch weitere Grundrechtsverletzungen gerügt, so bietet die Anhörungsrüge dem Gericht zugleich die Gelegenheit, auch diese verfassungsrechtlichen Mängel zu beseitigen, selbst wenn sie mit dem geltend gemachten Gehörsverstoß nicht notwendig in Zusammenhang stehen (vgl. BVerfGK 5, 337 [339]).

2. Die Erhebung einer Anhörungsrüge wäre auch nicht offensichtlich aussichtslos gewesen, da das Landgericht möglicherweise das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Stellungnahme vom 31. März 2008 nicht ausreichend berücksichtigt hat.

a) § 110 StPO gestattet die Durchsicht des sichergestellten Datenbestandes. Dabei ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch in diesem Verfahrensstadium Rechnung zu tragen. Der jeweilige Eingriff muss in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Hierbei sind auch die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren sowie der Grad des auf verfahrenserhebliche Daten bezogenen Auffindeverdachts zu bewerten. Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der auf dem Datenträger vermuteten Informationen sowie die Vagheit eines Auffindeverdachts einer Sicherstellung des Datenbestandes entgegenstehen (BVerfGE 113, 29 [57]).

b) Der Beschwerdeführer hatte in seiner Stellungnahme vom 31. März 2008 näher ausgeführt, warum aus seiner Sicht ein hinreichender Tatverdacht nicht mehr vorlag. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung (BGH, Strafverteidiger 1988, S. 90 ) und im Schrifttum (vgl. Schäfer, in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung , 25. Aufl. 2003, § 110 Rn. 20) wird davon ausgegangen, dass die Durchsicht als Teil der Durchsuchung nicht mehr zulässig ist, wenn die Voraussetzungen der Durchsuchung zum Zeitpunkt der Durchsicht entfallen sind. Angesichts des detaillierten Vorbringens des Beschwerdeführers lassen die bedenklich knappen Ausführungen des Landgerichts zum Fortbestehen des Tatverdachts eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG möglich erscheinen.

c) Das Landgericht hat sich im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Sicherstellung des kompletten Datenbestandes nicht damit auseinandergesetzt, ob der mit der Fortdauer der Sicherstellung der Daten verbundene Eingriff noch in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des Tatverdachts und der Schwere der im Raum stehenden Straftaten steht. Dabei ist das Landgericht auch nicht auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage eingegangen, welche verfahrenserheblichen Daten angesichts des gegenwärtigen Ermittlungsstandes in dem sichergestellten Datenbestand erwartet werden.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG ).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: LG Chemnitz, vom 26.05.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 5 Qs 4/08