Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 03.12.2008

IV ZR 325/07

Normen:
KZVKS § 73 Abs. 2 S. 4

Fundstellen:
FamRZ 2009, 600

BGH, Urteil vom 03.12.2008 - Aktenzeichen IV ZR 325/07

DRsp Nr. 2009/1981

Auslegung der Satzung der kirchlichen Zusatzversorgungskasse hinsichtlich der Startgutschriftberechnung für rentennahe, schwerbehinderte Versicherten

§ 73 Abs. 2 S. 4 KZVKS ist dahingehend auszulegen, dass ein Versicherter, der zum Umstellungsstichtag des 31. Dezember 2001 das 52. Lebensjahr vollendet hat und spätestens zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine gesetzliche Rente für schwerbehinderte Menschen einseitig hätte schaffen können, eine entsprechende Startgutschriftberechnung erhält, wenn er die Wartezeit von 420 Monaten durch eine freiwillige Nachzahlung nach dem Umstellungsstichtag erreicht.

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. November 2007 aufgehoben und das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 14. März 2007 geändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei der Berechnung der Startgutschrift des Klägers § 73 Abs. 2 Satz 4 KZVKS anzuwenden.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

KZVKS § 73 Abs. 2 S. 4;

Tatbestand:

I.

Die beklagte Kirchliche Zusatzversorgungskasse (KZVK) hat die Aufgabe, Beschäftigten des kirchlichen und kirchlichcaritativen Dienstes in den Diözesen in der Bundesrepublik Deutschland eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 24. Juni 2002 (Amtsblatt des Erzbistums Köln 2002, S. 214 ff.) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersvorsorge vom 1. März 2002 (ATV-K) vereinbart. Damit wurde das frühere endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.

Die neue Satzung der Beklagten (KZVKS) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen konnte. Die Anwartschaften der rentennahen Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen (§§ 72 Abs. 1 und 2, 73 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 KZVKS), wohingegen sich die Anwartschaften der rentenfernen Versicherten nach § 18 Abs. 2 BetrAVG berechnen (§§ 72 Abs. 1 und 2, 73 Abs. 1 Satz 1 KZVKS).

Seit der Satzungsänderung vom 6. Oktober und 14. November 2003 (Amtsblatt des Erzbistums Köln 2004, S. 69 ff.), die auf dem Änderungstarifvertrag Nr. 2 zum ATV/ATV-K vom 12. März 2003 beruht, sieht die KZVKS auch für schwerbehinderte Versicherte, die am 31. Dezember 2001 das 52. Lebensjahr vollendet hatten, unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 Satz 4 KZVKS eine Startgutschriftberechnung nach den für rentennahe Versicherte geltenden Grundsätzen vor. § 73 Abs. 2 Satz 4 KZVKS lautet:

Die Sätze 1 bis 3 gelten für Beschäftigte, die am 31. Dezember 2001 das 52. Lebensjahr vollendet haben und eine Rente für schwerbehinderte Menschen beanspruchen könnten, wenn sie zu diesem Zeitpunkt bereits das 60. Lebensjahr vollendet hätten, entsprechend mit der Maßgabe, dass an Stelle des 63. Lebensjahres das entsprechende, für sie individuell frühestmögliche Eintrittsalter in die abschlagsfreie Rente für schwerbehinderte Menschen maßgeblich ist.

Ein Anspruch auf eine gesetzliche Altersrente für schwerbehinderte Menschen setzte nach § 236a Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in der am Umstellungsstichtag geltenden Fassung insbesondere die Erfüllung einer Wartezeit voraus, die in den Fällen der von § 73 Abs. 2 Satz 4 KZVKS betroffenen Versicherten 35 Jahre (420 Monate) betrug. Durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21. März 2001 (BGBl. I 403) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2002 die Höchstdauer der Anrechnungszeiten für schulische Ausbildung (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI ) von drei Jahren auf acht Jahre erhöht.

II.

Der am 9. August 1947 geborene und bei der Beklagten rentenberechtigte Kläger ist spätestens seit dem 16. November 2000 schwerbehindert. Er begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Startgutschrift gemäß § 73 Abs. 2 Satz 4 KZVKS nach den Grundsätzen für rentennahe Versicherte anstatt der erteilten Startgutschrift, die nach den Grundsätzen für rentenferne Versicherte berechnet wurde.

Von der Möglichkeit, für nicht angerechnete Ausbildungszeiten freiwillige Nachzahlungen zu erbringen (§ 207 SGB VI ), machte der Kläger nach dem Umstellungsstichtag Gebrauch und zahlte für mindestens weitere 17 Monate Beiträge nach.

Der Kläger behauptet, bis zum Ablauf des Umstellungsstichtags in der gesetzlichen Rentenversicherung tatsächlich eine Wartezeit von 403 Monate zurückgelegt zu haben. Darüber hinaus habe er nach Vollendung seines 17. Lebensjahres mindestens weitere 35 Monate für schulische Ausbildung i.S. des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI verwendet, die in der Rentenauskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zum 31. Dezember 2001 wegen Überschreitung der Höchstanrechnungsdauer nicht als Anrechnungszeiten berücksichtigt worden seien.

Der Kläger ist der Auffassung, die erforderliche Wartezeit durch die Erweiterung der Anrechnungszeiten zum 1. Januar 2002 und die Nachzahlung erfüllt zu haben. Bei anderer, engerer Auslegung des § 73 Abs. 2 Satz 4 KZVKS wäre dieser unwirksam, soweit die Erfüllung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf gesetzliche Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits zum Umstellungsstichtag verlangt werde.

Die Beklagte geht dagegen davon aus, dass der Kläger bis zum Umstellungsstichtag lediglich eine Wartezeit von 343 Monaten erfüllt gehabt habe.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 4 KZVKS seien nicht erfüllt, da am 31. Dezember 2001 nach der zu diesem Zeitpunkt gültigen Rechtslage die Voraussetzungen eines gesetzlichen Rentenanspruchs nicht vorgelegen hätten.

Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage jeweils abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat sich ausdrücklich der Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Urteil vom 21. September 2006 ( 12 U 89/05) das im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/06, ebenfalls Gegenstand der Überprüfung war, angeschlossen und demgemäß entschieden, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 Satz 4 KZVKS nicht erfülle, da er am 31. Dezember 2001 noch keine Wartezeit von 420 Monaten erfüllt gehabt habe. Die nach dem Umstellungsstichtag erfolgte Nachzahlung ändere daran nichts, da es auf das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen am Umstellungsstichtag ankomme.

II.

Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung - wie auch im Falle des genannten Urteils des Oberlandesgerichts Karlsruhe durch Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/06 entschieden - nicht stand.

1.

Bei zutreffender Auslegung des § 73 Abs. 2 Satz 4 KZVKS sind dessen Voraussetzungen erfüllt, wenn der Versicherte zum Umstellungsstichtag das 52. Lebensjahr vollendet hatte und spätestens zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine gesetzliche Rente für schwerbehinderte Menschen einseitig hätte schaffen können - unterstellt, er hätte das Renteneintrittsalter bereits erreicht gehabt. Wie der Senat im Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 104/06 (zur Veröffentlichung vorgesehen) zu einer inhaltsgleichen Bestimmung in der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS) erkannt hat, setzt diese, am Maßstab des durchschnittlichen Versicherten entwickelte Auslegung insbesondere das Wartezeiterfordernis aus dem gesetzlichen Rentenversicherungsrecht in ein sachgerechtes Verhältnis zu dem in der Satzungsbestimmung vorausgesetzten Mindestlebensalter von 52 Jahren. Zudem wahrt sie die Vereinbarkeit der Bestimmung mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG ). Im Einzelnen wird auf die Ausführungen im genannten Senatsurteil verwiesen. Für die Auslegung der Satzung der Beklagten gilt das dort Ausgeführte entsprechend.

Die Möglichkeit des Klägers, die Erfüllung der Wartezeit des § 236a Abs. 4 Nr. 3 SGB VI am Umstellungsstichtag herbeizuführen, ergibt sich bereits aus der von der Beklagten vorgelegten Rentenauskunft der BfA vom 27. August 2004. Diese weist für den Stichtag 31. Dezember 2001 eine bereits erfüllte Wartezeit von 343 Monaten aus. Darüber hinaus weist die beigefügte Darstellung des Versicherungsverlaufs einen weiteren Zeitraum von 95 Monaten (1. August 1967 bis 26. Juni 1975) der Hochschulausbildung aus, der mit dem Vermerk "Höchstdauer überschritten" nicht berücksichtigt wurde. Allein durch eine - nach § 207 Abs. 1 und 2 SGB VI in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung mögliche - Nachzahlung für diese 95 Monate hätte der Kläger am Umstellungsstichtag eine Wartezeit von 438 Monaten erreichen können.

Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Bescheid der BfA vom 29. Dezember 2004. Die vorgenannten 95 weiteren Monate der schulischen Ausbildung finden sich - offenbar gekürzt um die seit dem 1. Januar 2002 erweiterten Anrechnungszeiten von fünf Jahren (60 Monate) - in der dort mitgeteilten Nachzahlungsmöglichkeit für 35 Monate (August 1972 bis Juni 1975) wieder. Dementsprechend weist die "Anlage 10" zu diesem Bescheid eine um diese 60 Monate erhöhte, bereits erreichte Wartezeit von 403 Monaten aus.

2.

Das Berufungsurteil ist auch nicht etwa deswegen im Ergebnis richtig, weil der Kläger seine Einwendungen nicht innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang der Mitteilung der Startgutschrift (§ 72 Abs. 3 Satz 1 KZVKS) geltend gemacht hat. Die Startgutschrift wurde dem Kläger zwar durch Schreiben der Beklagten vom 28. September 2002 mitgeteilt. § 73 Abs. 2 Satz 4 KZVKS erhielt jedoch erst mit der Satzungsänderung vom 6. Oktober und 14. November 2003 eine Fassung, die den Kläger vom Lebensalter her mit einbezog. Da der Kläger seine Einwendungen, die er auf diese Bestimmung stützt, innerhalb der Ausschlussfrist somit noch nicht vorbringen konnte, kann sich die Beklagte auch nicht auf deren Verstreichen berufen. Eine weitere Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Einwendungen, die sich erst aus nach Mitteilung der Startgutschrift geänderten Bestimmungen der KZVKS ergeben, ist dieser nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.

Vorinstanz: OLG Köln, vom 08.11.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 7 U 77/07
Vorinstanz: LG Köln, vom 14.03.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 20 O 57/06
Fundstellen
FamRZ 2009, 600