„Zwölf-Stämme“: Beschwerden zurückgewiesen
Darum geht es
Mit Beschlüssen vom 26.05.2015 und 11.06.2015 hat der zuständige Familiensenat des Oberlandesgerichts Nürnberg Beschwerden der Eltern gegen Entscheidungen des Amtsgerichts Ansbach zurückgewiesen.
Das Amtsgericht hatte im Oktober 2014 mehreren Eltern, die der Glaubensgemeinschaft „Zwölf Stämme“ angehören, Teilbereiche der elterlichen Sorge, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, entzogen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das OLG Nürnberg hat diese Entscheidungen hinsichtlich zweier Elternpaare nunmehr im Ergebnis bestätigt.
Für den Senat steht fest, dass die betroffenen Eltern aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ihre Kinder auch in Zukunft körperlich züchtigen würden, weil die Züchtigung mit der Rute nach den Vorstellungen der Glaubensgemeinschaft, die die betroffenen Eltern teilen, unabdingbar zur Kindererziehung gehört.
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung vom 02.11.2000 bestehe gemäß § 1631 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ein Recht eines jeden Kindes auf eine uneingeschränkt gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen seien damit in der Erziehung unzulässig.
Körperliche Züchtigungen der Art, wie sie von Mitgliedern der „Zwölf Stämme“ praktiziert werden, gefährden nach Auffassung des Senats das Kindeswohl. Die Gefährdung des Kindeswohls liege bereits darin, dass die Kinder einer solchen Behandlung künftig wiederkehrend ausgesetzt sind, ständig mit der Verabreichung von Schlägen rechnen und daher in Angst davor leben müssen; ferner darin, dass sie beim Einsatz der Rute körperliche Schmerzen erdulden müssen und die daraus resultierende Demütigung als psychischen Schmerz erfahren. Auf den Eintritt länger andauernder physischer Verletzungen oder das Ausmaß psychischer Spätfolgen komme es daher nicht entscheidend an.
Zwar stelle eine Trennung der Eltern von ihren leiblichen Kindern den stärksten vorstellbaren staatlichen Eingriff in das Elternrecht dar. Der Schutz der Kinder sei in den konkreten Fällen aber durch mildere Maßnahme als die Trennung der Kinder von ihren Eltern nicht zu erreichen.
Die Entscheidungen sind rechtskräftig.